Account/Login

Kumpel, Zuhörer und Zicke zugleich

Frank Zimmermann
  • Di, 14. September 2021
    Panorama

Hape Kerkeling analysiert vortrefflich das Zusammenleben von Katze und Mensch – alltagstaugliche Erziehungsratschläge inklusive.

Katzen – manchmal stressig, aber meistens purer Gewinn   | Foto: Frank Zimmermann
Katzen – manchmal stressig, aber meistens purer Gewinn Foto: Frank Zimmermann

Im Kinofilm "Der Junge muss an die frische Luft" über die Kindheit von Hape Kerkeling steht – was Tiere anbelangt – das Pferd bei Omma im Garten im Mittelpunkt. In Kerkelings neuem Buch "Pfoten vom Tisch!" steht das zweite Lieblingstier des Komikers, Moderators und Autors im Zentrum. "Ich vergöttere Samtpfoten! Still bete ich sie an", outet er sich gleich zu Beginn. "Katzen sind meine heimliche Religion." Und: "Ein Leben ohne Katze ist in etwa so sinnvoll wie ein Leben ohne Liebe."

Hans-Peter "Hape" Kerkeling, 1964 geboren, verlor 1973 seine Mutter durch Suizid, der Film von Oscar-Preisträgerin Caroline Link erzählt diese Geschichte auf sensible Weise. "Pfoten vom Tisch", halb Biografie und halb Ratgeber, setzt in der Zeit danach ein. Wallach Bubi ist gestorben und ein neues Pferd kommt für den Halbwaisen nicht in Frage – "man kann schließlich auch kein Familienmitglied nach dessen Tod einfach ersetzen". Oma Bertha schlägt deshalb einen Hund vor – was bei Hape nicht auf Begeisterung stößt: "Hunde sind doof!", antwortet er und erinnert an einen herzkranken, hechelnd-sabbernden Riesenpudel, den seine Mutter einst "in einem Anfall von Großherzigkeit" hütete. "Wo auch immer auf der Welt ich stehe, schlummere oder gehe, Katzen laufen, schnurren, kuscheln oder fliegen auf mich zu, hinter mir her oder an mich ran", gesteht Kerkeling, der schon so einige Exemplare hatte: Peterle, Samson und Spock, Anne, Bolli, Kitty.

Vorteil Nummer eins der Katze und für Kerkeling ganz essenziell: Katzen gehen, anders als Hunde, selbständig aufs Klo. "Ich finde ja, es liegt vor allem daran, dass sie einem viele Freunde auf einmal ersetzen, vom besten Kumpel über den guten Zuhörer bis hin zur Zicke." Damit trifft Kerkeling ins Schwarze: Niemand lernt das richtige Aufs-Klo-Gehen so schnell wie Katzen – es genügen die Wochen vier bis sechs nach der Geburt und eine Mama, die es dem Nachwuchs – wie so vieles andere – vormacht.

Auch das mit Kerkelings Hinweis auf geduldiges Zuhören und Rumzicken stimmt: Katzen können stoisch abendelang neben einem liegen und sich Selbstgespräche (die ja de facto keine sind) anhören. "In einem Singlehaushalt kann eine Katze in der heutigen Zeit sogar die komplette Familie ersetzen", stellt Kerkeling zutreffend fest und zitiert "Robinson Crusoe"-Autor Daniel Defoe: "Wer eine Katze hat, braucht das Alleinsein wirklich nicht zu fürchten." Katzen wirken definitiv heilsam auf Körper und Psyche. Stichwort zickig: Dieses Fressen ist nicht gut genug und jene Futtersorte passt gerade nicht, und mal geht es rein und raus im Minutentakt. Wieder rein, weil es draußen nieselt und kalt ist, dann doch wieder raus, weil das Tier schon 22,5 Stunden (de facto sind es bis zu 16 Stunden am Tag) geschlafen hat, dann doch wieder rein, weil es immer noch nieselt. Haus- und Wohnungseigentümer sei eine Katzenklappe in der Tür ans Herz gelegt. Nicht wundern: Katzen können in der Wohnung auch Türen öffnen, seien sie mit Klinke versehen oder zum Schieben; nur mit Knauf ist es sicher.

Kerkeling wartet in seinem Buch mit interessanten Erläuterungen auf: etwa, warum Katzen automatisch beim Fressen die Ohren nach hinten stellen (damit sie ihr Schmatzen nicht so hören). Dass sie sehr alt werden können (bei guter Pflege gut 15 bis 20 Jahre; Creme-Puff im US-Bundesstaat Texas hält mit 38 Jahren den Rekord). Was sie einen im Schnitt kosten (inklusive Tierarztbesuchen etwa 1000 Euro im Jahr). Kerkeling, in den 80ern die Stimme von Kater Garfield auf Hörspielkassetten, hat auch nützliche Erziehungstipps parat, räumt aber ein, dass fast alle zwecklos sind. Hier dennoch einige:
» Die Trennung von ihrer Bezugsperson ist für Katzen zwar die Höchststrafe. Dennoch ist es besser, sie im Urlaub daheim zu lassen unter der Aufsicht lieber Freunde oder Nachbarn – denn Katzen lieben Routine und die bekannte Umgebung. Bevor man sie mitnimmt, empfiehlt sich eher noch die Katzenpension. Reisen ist für sie purer Stress, selbst die kurze Fahrt zum Tierarzt. Ein wohlhabender Mensch wie Kerkeling, der ganze Sommer im italienischen Feriendomizil verbringt, ist jedoch gezwungen, mit der Katze zu fliegen. Entsprechend groß ist sein eigener Stress beim Check-in.
» Akzeptieren Sie den Charakter Ihrer Katze, wie er ist, denn jede hat ihren ganz eigenen Charme. Da gibt es die wagemutigen Abenteurer, die ruhigen Vertreter, die überdrehten Kasper, die zärtlichen Kuschler, die reservierten Rühr-mich-nicht-an-Tiere...
» Spielen Sie mit Ihrer Katze und reden Sie viel mit ihr. "Meinetwegen labern Sie von morgens bis abends", rät Kerkeling. Wobei die Stimmlage passen muss, ein Lob am besten mit weichem, warmem Ton, gerne auch mal "schwul-nasal", aussprechen. Einzige Ausnahme: Wenn die Katze mal muss, braucht sie absolut ihre Ruhe.
Mit Katzen macht Homeoffice wenig Spaß (zumindest nicht in kleinen Wohnungen), Katzen lieben Tastaturen und Remmidemmimachen bei Langeweile.
Wer eine Katze hat, sollte auf teure Möbel, Gardinen oder Wohnaccessoires verzichten, wie Kerkeling beim Anblick seiner sündhaft teuren Ledercouch feststellt. Ein Kratzbaum oder ausrangierter Polsterstuhl ist zweifelsohne sinnvoll.
Man sollte Katzen nicht zu viel Futter in die Schüssel geben, zum einen, weil es schnell müffelt, zum anderen, weil sie fett werden so wie unsereins, wenn man oft viel isst – Kerkeling rät dann zum "Mausgleichsport" im Garten. Generell gilt: Katzen sollten Katzenfutter bekommen und keinen Süßkram wie Sahne oder Joghurt, nix Salziges oder Würziges. Wie beim Menschen gilt: "Nicht alles, was der Katze schmeckt, tut ihr auch gut."


Kerkelings Buch enthält neben mancher Banalität gute Tipps – etwa das Sichern des Haushalts (Todesfalle gekipptes Fenster). Erinnert wird an die zwölf berühmtesten Katzen, klärt im "Samtpfoten-Atlas" über Rassen auf sowie die Körpersprache von Katzen, die da reicht vom Kuss mit der Nase bis zum Abschlecken mit rauer Zunge ("der größte Liebesbeweis"). Fazit: Auch wer keine Katze hat oder will, hat an dem Buch seine Freude.

Hape Kerkeling: Pfoten vom Tisch. Meine Katzen, andere Katzen und ich. Piper-Verlag, 294 Seiten, 22 Euro.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 14. September 2021: PDF-Version herunterladen

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel