Zwangsversteigerung: Neue Nachbarn haben was zu bieten

Wenn die Wohnung nebenan zwangsversteigert wird – eine Studentin berichtet von ihren Hammer-Erlebnissen rund um die Auktion.  

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  | Foto: broker
Foto: broker
Es klingelt schon wieder. Ich ignoriere es. Kurz darauf klopft es und ich öffne meine Wohnungstür. Vor mir steht ein japanisches Pärchen, das sich anscheinend durch das gesamte Haus geklingelt hat. "Wir haben gehört, dass die Wohnung gegenüber versteigert wird", druckst die Frau herum, "und wollten fragen, ob wir mal Ihre Wohnung anschauen dürfen." Ich, gerade aufgestanden, kann mir nichts Schöneres vorstellen, als wildfremde Menschen durch meine Wohnung zu führen. Wieder mal. Das Objekt der Schnäppchenbegierde, die Wohnung meines Nachbarn, wird verschlossen zwangsversteigert.

Da besteht natürlich ein Risiko: Ihr Zustand ist ungewiss, außerdem wurden schon Wohnungen samt Leichnam des verschollen geglaubten Vorbesitzers versteigert. Doch vielleicht würde nicht einmal das abhalten – bei dem Preis. Das Mindestgebot für die 46 Quadratmeter große Eigentumswohnung in PH-Nähe liegt bei 37 000 Euro. Ihr Besitzer ist seit mehreren Jahren unbekannt verzogen. Regelmäßig standen Gläubiger, bald darauf Polizei und Gerichtsvollzieher vor meiner Tür. Immer erzählte ich dasselbe: Ich habe den Mann seit Jahren nicht gesehen, nur zwei Mal Geräusche auf dem Flur gehört. Doch Polizei und Gerichtsvollzieher sind nichts gegen hartnäckige Schnäppchenjäger.

Es klingelt. Dieses Mal ist es ein älterer Mann, der mir seine halbe Lebensgeschichte erzählt, während ich im Flur stehe und friere. Er will die Wohnung für seine Tochter ersteigern. Aber ihm bereitet es doch ein wenig Unbehagen, dass niemand weiß, wie es im Appartement aussieht. Da komme ich ins Spiel. Schon wieder. Schuhe ausziehen scheint heute keine Selbstverständlichkeit mehr zu sein. Kein Problem, ich wollte sowieso putzen.

Dann der große Tag: Die Zwangsversteigerung im Amtsgericht in Freiburg. Mich interessiert, wie so etwas abläuft. Im Gericht treffe ich auf all meine neuen Bekannten. Freunde haben mir geraten, auf den Verhandlungsverlauf subtil Einfluss zu nehmen: "Lass doch gegenüber den ganz Hartnäckigen fallen, dass die Kakerlaken in letzter Zeit immer größer wurden." Interessant. Ich bin dem Erstehen von Eigentum bei einer Zwangsversteigerung oder einer Wohnungsauflösung eher abgeneigt. Vielleicht liegt es an meinen Erfahrungen mit den potenziellen Käufern. Oder am Gedanken, sich in ein fremdes Nest zu setzen. Die Leidtragenden sind in jedem Fall die Gläubiger. In diesem betragen die Schulden 130 000 Euro, die Versteigerung bringt einen Bruchteil. Und davon werden die Gerichtskosten und die Hausnebenkosten abgezogen, die die Eigentümergemeinschaft bezahlt hat.

Der Gerichtssaal ist mit über 50 Leuten voll, es gibt nicht genügend Stühle. Die Stimmung ist angespannt und gleichzeitig unnatürlich gesellig. Jeder beobachtet jeden. Hinter mir sitzen wohl zwei alte Hasen aus dem Ersteigerungsgeschäft. Jeder Neuling wird kommentiert, auch das japanische Pärchen, das sich verspätet hineinschleicht. Bei der Auktion verspricht sich der gesprächige ältere Mann mehrmals und bietet aus Versehen zehntausend zu viel. Gelächter. Ebenso, wenn einer aufgibt und den Raum verlässt. Währenddessen diskutieren die Bieter noch, wie mit den Sachen zu verfahren sei, die sich noch in der Wohnung befinden könnten – zum Beispiel einem eventuellen Untermieter. Nach einer Ewigkeit – überboten wird meist in 100-Euro-Schritten – fällt der Hammer: Der neue Besitzer erhält den Zuschlag für knapp 50 000 Euro.

Vier Tage später verschafft sich der Höchstbietende mit Hilfe des Schlüsseldienstes Zutritt zum neuen Eigentum. Ich hatte mich bei der Versteigerung als Nachbarin vorgestellt und mein Interesse erklärt. Nach meinen Erlebnissen will ich auch wissen, wie es in der Wohnung aussieht. Die Spannung ist spürbar. Was verbirgt sich hinter der Tür? Zum Glück weder Leiche noch sichtbarer Schimmel. Nur eine dicke Staubschicht.

Sonst sieht die Wohnung aus, als sei sie eben erst verlassen worden. Das Bett ist zerwühlt, ein Teller voller Krümel steht daneben. Überall liegen Klamotten, die Regale sind voller Bücher, eine Stereoanlage mit Boxen bis unter die Decke und ein Fernseher stehen im Wohnzimmer, in der Küche Herd und Mikrowelle. Die hat mein ehemaliger Nachbar wohl nicht mehr benutzt: Im Wohnzimmer auf dem Teppich liegen zwei Propangasflaschen, ein Feuerzeug und eine Teekanne. Der Strom war offensichtlich abgestellt. Auf dem Schreibtisch stapeln sich Briefe. Bilder mit Widmung, Songtexte und Gedichte hängen an der Wand. Auf einer Karte sagt Einstein: "Man kann die Welt nicht verstehen. Man muss sich darin nur zurechtfinden."

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