Zwei kämpfen für das freie Wort

Die philippinische Journalistin Maria Ressa und Dmitri Muratow, Chefredakteur von "Nowaja Gaseta", erhalten den Friedensnobelpreis.  

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Kämpfen in ihren Ländern für unabhängigen, faktenbasierten Journalismus: Dmitri Muratow und Maria Ressa. Foto: Alexander Zemlianichenko (dpa)

. Die philippinische Journalistin Maria Ressa und der russische Chefredakteur Dmitri Muratow kämpfen seit Jahren für einen Journalismus ohne staatliche Bevormundung. Beide sind in ihren Ländern angesehene Verfechter einer unabhängigen Berichterstattung und setzen sich furchtlos für die Freiheit des Wortes ein.

Maria Ressa (58)

Die Gründerin des Online-Portals "Rappler" betonte nach der Preisvergabe: "Eine Welt ohne Fakten bedeutet eine Welt ohne Wahrheit und Vertrauen." Für Ressa, die wohl bekannteste Journalistin der Philippinen, ist es nicht die erste Auszeichnung: Schon vor dem Friedensnobelpreis war sie für ihre Arbeit als investigative Reporterin und Medieninnovatorin geehrt worden – so als Wächterin im "Krieg gegen die Wahrheit". Als sie die Nachricht vom Nobelpreis-Gewinn erreichte, war Ressa in einem Webinar, Thema: unabhängiger Journalismus.

Zwei ihrer berühmten Sätze lauten: "Wenn man Menschen glauben machen kann, dass Lügen die Fakten sind, dann kann man sie kontrollieren." Und: "Die Pressefreiheit ist die Grundlage des Rechts aller Filipinos auf die Wahrheit."

Um diese Wahrheit zugänglich zu machen, hatte die in Manila geborene und in den USA aufgewachsene Journalistin 2012 das regierungskritische Onlineportal "Rappler" mitgegründet. Dort werde unter anderem dokumentiert, "wie soziale Medien genutzt werden, um Fake News zu verbreiten, Gegner zu verfolgen und den öffentlichen Diskurs zu manipulieren", würdigte das Nobelkomitee.

Zuvor hatte sie viele Jahre lang die CNN-Büros zunächst in Manila und dann in der indonesischen Hauptstadt Jakarta geleitet. Sie hat zudem zwei Bücher über Terrorismus in Südostasien verfasst. Als Chefredakteurin von "Rappler" ist Ressa, die unter anderem an der renommierten Princeton-Universität in New Jersey studierte und 1986 in ihre Heimat zurückkehrte, immer wieder mit dem philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte aneinandergeraten.

Ausführlich berichtete sie zusammen mit ihren Mitstreiterinnen – "Rappler" wird hauptsächlich von Frauen geführt – über die international umstrittene Anti-Drogen-Kampagne Dutertes. Seit 2016 sollen Tausende Menschen von Todeskommandos ermordet worden sein, vor allem in den Slums des Inselstaates. "Rappler" publizierte Details über Fälle, in denen die Tötungen völlig ungerechtfertigt schienen, und Geschichten über die Familien der Opfer.

Seither ist Ressa bedroht, mehrmals verhaftet und auch verurteilt worden. Duterte warf "Rappler" wiederholt die Verbreitung von Fake News vor – und versuchte, die unbequeme Frau mundtot zu machen. Erst im vergangenen Jahr war die prominente Regierungskritikerin wegen Verleumdung zu bis zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Sie ging in Berufung und ist auf Kaution frei. Auch gibt es Versuche, "Rappler" die Lizenz zu entziehen. Im Mai hatte "Reporter ohne Grenzen" eine Solidaritätskampagne für Ressa begonnen.

"Rappler" teilte mit, der Friedensnobelpreis "hätte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können – zu einer Zeit, in der Journalisten und die Wahrheit angegriffen und untergraben werden". Damit werde anerkannt, dass Journalisten nicht nur auf den Philippinen, sondern in aller Welt "sogar in den dunkelsten und härtesten Stunden Licht bringen".

Dmitri Muratow

Als Chefredakteur der kremlkritischen Zeitung "Nowaja Gaseta" gilt Muratow seit Jahrzehnten als Symbol für die Meinungsfreiheit und einen mutigen Journalismus, der Korruption, Vetternwirtschaft und andere Missstände in Russland aufdeckt. Er wolle mit dem Preisgeld auch politisch verfolgten Kollegen helfen, sagte der 59-Jährige. Muratow, der am 30. Oktober 1961 zu kommunistischen Zeiten in der Sowjetunion geboren wurde, stiftet einen Teil der Prämie auch Kindern mit der unheilbaren Nervenkrankheit Spinale Muskelatrophie (SMA). "Den Rest entscheidet das Redaktionskollegium", sagte der Chefredakteur des immer wieder in Finanznöte geratenen Blatts, bei dem der inzwischen 90 Jahre alte Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow Miteigentümer ist.

Der Preis werte die Rolle der Presse auf, sagte Ex-Kremlchef Gorbatschow. Der Kreml in Moskau teilte mit, dem mutigen und talentierten Muratow könne gratuliert werden zum Preis. Dabei hat der mit internationalen Auszeichnungen gewürdigte Journalist immer wieder auch die Kremlpolitik kritisiert – ob auf der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim oder bei der Verfolgung von Reportern als "ausländische Agenten".

Auch politisch ist Muratow schon in Erscheinung getreten – als prominentes Mitglied der liberalen Oppositionspartei Jabloko. Muratow packe mit seiner Redaktion die "heißesten gesellschaftlich-politischen Themen" an; das sei ein Risiko für Leben und Freiheit der Journalisten, meint Parteichef Nikolai Rybakow. Der Preis sei auch eine Würdigung für die vielen getöteten Journalistinnen und Journalisten der Zeitung, darunter Anna Politkowskaja und Natalja Estemirowa, die erschossen wurden. Muratow widmete den Preis seinen Kollegen und Kolleginnen.

Er habe die Zeitung als "letzte Bastion des ehrlichen Journalismus in Russland" erhalten über all die Jahre unter dem wachsenden Druck des Kreml, teilte die Partei Jabloko mit. Immer wieder meldete sich der regierungskritische Muratow zu Wort, wenn es um Wahlfälschungen und Desinformation des Machtapparats ging. Zuletzt solidarisierte er sich auch mit der Demokratiebewegung in Belarus. International für Schlagzeilen sorgten Enthüllungen der Zeitung aus der russischen Teilrepublik Tschetschenien im Nordkaukasus. So machte Muratow trotz Drohungen etwa Morde, Folter und andere Verbrechen unter Republikchef Ramsan Kadyrow öffentlich.
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