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"An der Rolle der Frau entscheidet sich die Zukunft"

  • Fr, 15. November 2019
    Ausland

BZ-INTERVIEW mit Renate Bähr von der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung zu den wichtigsten Erkenntnissen der Konferenz in Nairobi.

Renate Bähr   | Foto: zvg
Renate Bähr Foto: zvg

Rund 11 000 Teilnehmer aus 165 Ländern sind zu der dreitägigen Weltbevölkerungskonferenz in Nairobi gekommen. Eine von ihnen war Renate Bähr, Geschäftsführerin der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung. Sie sagt im Gespräch mit Joshua Kocher, dass es auf den Podien fast gar nicht um die steigende Weltbevölkerung ging – sondern um Aufklärung und Frauenrechte.

BZ: Frau Bähr, die CO2-Emissionen eines durchschnittlichen Menschen sollen laut Studien aus den USA 20-mal so hoch sein, wie die möglichen Einsparungen durch einen bewussteren Lebensstil. Sollten gegen den Klimawandel also Geburten begrenzt werden?
Bähr: Zwangsmaßnahmen wie in China sind sicher nicht die Lösung – vor allem, weil sie gegen die Menschenrechte verstoßen. Außerdem zeigt sich, dass diese Politik langfristig scheitert. Sie hat zwar kurzzeitig das Bevölkerungswachstum gebremst, aber letztlich sind die Nachteile größer. Die Ein-Kind-Politik hatte Auswirkungen auf die Alters- und die Geschlechterstruktur, es gibt heute in China viel mehr Ältere und mehr Jungs als Mädchen. Deshalb ist unser Ansatz: Stärkt die Frauen, gebt ihnen die Möglichkeiten, entscheiden zu können, ob sie Kinder haben möchten oder nicht. Man darf nicht stehen bleiben und nur Bedrohungsszenarien malen.

BZ: Lässt sich so die komplexe, globale Entwicklung stoppen?
Bähr: Ich bin enttäuscht, dass wir es noch immer nicht geschafft haben, dass heute alle Frauen verhüten können, wenn sie es möchten. Dies war das Ziel der Kairoer Weltbevölkerungskonferenz vor 25 Jahren. Und auch damals dachte ich schon: Es muss doch möglich sein, dass Frauen frei entscheiden können. Trotzdem gibt es heute immer noch weltweit 89 Millionen ungewollte Schwangerschaften pro Jahr. Der Zuwachs der Weltbevölkerung liegt jährlich bei 80 Millionen Menschen.

BZ: Wie schafft man es, auch in ärmeren Ländern Frauen zu stärken?
Bähr: Gesetze bilden einen wichtigen Rahmen. Man muss aber auch überzeugende Argumente dafür haben, warum es besser ist, weniger Kinder zu bekommen. Nicht nur, weil dadurch die Weltbevölkerung sinkt – die Lebensqualität steigt, die Schule kann bezahlt werden. Man muss frühzeitig aufklären, nicht erst, wenn das erste Kind da ist. Es braucht mehr Bildung. Frauen sollten ihre Familienplanung selbst gestalten können. Dass die Konferenz in Afrika stattfindet, ist extrem wichtig. Hier sind die durchschnittlichen Kinderzahlen doppelt so hoch wie im weltweiten Durchschnitt. Zu den Problemen gehören natürlich gesellschaftliche Normen, Erwartungen an die Frau, die Männerdominanz, aber beispielsweise auch die Gesundheitsversorgung. An der Rolle der Frau entscheidet sich die Zukunft.

Renate Bähr ist seit 1995 Geschäftsführerin der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung in Hannover. Sie hat Politikwissenschaften, Soziologie und Mathematik studiert.

Ressort: Ausland

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