"Auch mal einen Tritt abbekommen"

ZISCHUP-INTERVIEW mit dem früheren Metzger Karl-Heinz Hörn über das Schlachten von Tieren und seine Lieblingswurst.  

Zu den Kommentaren
Mail

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
Vom Stall in die Metzgerei: Karl-Heinz Hörn holt eine Kuh ab.   | Foto: privat
Vom Stall in die Metzgerei: Karl-Heinz Hörn holt eine Kuh ab. Foto: privat

Bis ins Jahr 2003 führte Karl-Heinz Hörn, der 1941 geboren wurde und von Beruf Metzger war, gemeinsam mit seiner Frau Inge Hörn ein traditionelles Wirtshaus im Kraichgau. Diese Gaststätte wurde über mehrere Generationen geführt. Sein Enkel Benjamin Berenbold, Schüler der Klasse 8b des Goethe-Gymnasiums in Freiburg, stellte sich die Frage, ob sein Opa Metzger werden wollte. Welche Möglichkeiten hatten Jugendliche in den fünfziger Jahren, sich für einen Beruf zu entscheiden? Um dieser Frage nachzugehen, führte Benjamin Berenbold ein Gespräch mit seinem Opa.

Zischup: Wolltest du schon immer Metzger werden?
Hörn: Ich war oft als Kind auf Besuch bei Onkel und Tante in Mannheim, diese hatten eine Metzgerei. Ich durfte dort auch mithelfen. So kam mein Interesse daran, Metzger zu werden, Lebensmittel herzustellen und mit Gewürzen umzugehen.

Zischup: Wann und wo hast du deine Lehre zum Metzger absolviert? Und wie bist du in den Betrieb gekommen?
Hörn: Ich habe mit der Lehre 1955 begonnen. Damals endete die Volksschule mit der achten Klasse. Über Bekannte kam dann die Vermittlung in einen Lehrbetrieb, der etwa 20 Kilometer von meinem Heimatort entfernt lag. Die Strecke wurde mit der Bahn oder mit dem Fahrrad zurückgelegt. Man hat sich vorgestellt und Gespräche geführt, eine schriftliche Bewerbung war nicht nötig, das bedeutete, dass ich mit 14 Jahren von zuhause wegmusste und nur am Wochenende nach Hause konnte. Und das Wochenende begann erst am Samstagabend.

Zischup: Hättest du dich auch für einen anderen Beruf entscheiden können? Welche Möglichkeiten hätte es denn noch gegeben?
Hörn: Ein technischer Beruf war für mich nicht interessant, Möglichkeiten hätte es da in Betrieben im Ort gegeben. Durch die Gastwirtschaft, die schon lange von meiner Familie geführt wurde, war das Metzgerhandwerk naheliegend und hat mich da auch früh in diese Richtung gebracht. Gezwungen hatte mich niemand, das zu lernen.

Zischup: Was haben denn deine Mitschüler gelernt?
Hörn: Allesamt Handwerksberufe wie zum Beispiel Kfz-Mechaniker, Maler, Schlosser, Sattler, Elektriker. Und die Mädchen gingen zur Kochschule. Damals hat fast kein Mädchen eine Ausbildung gemacht.

Zischup: Und du hast dich für das Metzgerhandwerk entschieden. Hat dir der Gedanke, auch selber schlachten zu müssen, Angst gemacht?
Hörn: Man wusste, dass man mit dem Schlachten umgehen muss, das war vollkommen normal. Und es gehörte zu der Zeit auch bei vielen noch zum Alltag dazu. Zum Beispiel hatten viele noch Hühner, die dann auch geschlachtet wurden. Das haben die Bauern selbst gemacht.


Zischup: Wie sah dein Arbeitsalltag aus?
Hörn: Ich musste sehr viel Zwiebeln schälen, eimerweise. Wichtig war, Interesse zu zeigen, zuzuschauen, Geschirr spülen, kochen und sauber machen. Montags war Schlachttag. In den ersten Wochen war man da als Lehrling noch nicht an der Reihe. Meine Aufgabe war es, bei den Rindern das Fell abzuziehen und bei den Schweinen die Borsten abzubrühen und abzuschaben. Es war körperlich sehr anstrengend, weil alles von Hand gemacht werden musste. Wenn man dann schon ein bisschen dabei war, durfte man das Geschlinge (das sind Herz, Lunge, Zunge, Leber) rausnehmen. Wieder später durfte man dann selbst Fleisch zerlegen. Bis man selbständig würzen durfte, ging noch einige Zeit vorbei. Man brauchte immer viel Eis, um das Fleisch kühlen zu können. Das wurde als Stangeneis beim Getränkehändler mit einem Handziehwagen zu Fuß von den Lehrlingen geholt und ins Kühlhaus gebracht. Viele Male habe ich da Eisstangen transportiert.

Zischup: Was hast du denn am liebsten gemacht?
Hörn: Hausmacherwurst, das ist Leberwurst mit viel Majoran.
Zischup: Und gab es auch mal gefährliche Situationen?
Hörn: Ja, gefährliche Situationen gab es auch. Wenn man zu Hausschlachtungen ging oder die Tiere beim Bauern abholte, da hat man schon mal einen Tritt abbekommen. Auch ist das ein oder andere Tier abgehauen, das musste man dann wieder einfangen. Einmal musste die dazu gerufene Polizei ein Schwein auf der Flucht erschießen.

Zischup: Würdest Du die Lehre wieder machen wollen?
Hörn: Heute ist eine ganz andere Zeit. Vieles von dem, wie das früher gemacht wurde, ist jetzt nicht mehr vorstellbar. Aber wenn ich wieder entscheiden müsste, mit dem Stand von damals auf jeden Fall. Ich wusste immer, was drin war in der Wurst.
PDF-Version herunterladen Fehler melden

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel