BALLALAIKA: Plötzliche Panikattacken

Wenn in St. Petersburg die Brücken hochgehen /.  

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Zar Peter I. hat genau gewusst, was er im Mündungsdelta der Newa Anfang des 18. Jahrhunderts angerichtet hat. Unter widrigsten Bedingungen, meist mit bloßen Händen und in ständigem Kampf gegen das Sumpffieber und den Hunger errichteten die so genannten "Arbeitsleute" St. Petersburg – quasi aus dem Nichts. Sie schufen eine Millionen-Metropole, die sich heute auf 44 Inseln mit 68 Kanälen und Flussarmen ausbreitet. Damit ist allerdings auch eine Einschränkung verbunden, die so gar nicht zu der Freizügigkeit einer WM-Stadt passen will, in der nach dem ersten Halbfinale auch das Spiel um den dritten Platz ausgetragen wird.

Russische Nachtschwärmer – was eigentlich schon der falsche Begriff ist, weil es draußen nur halbdunkel wird – fangen irgendwann an, ihr Smartphones zu checken. Nicht um zu knipsen, sondern via Internet rasch die aktuellen Öffnungszeiten der Klappbrücken über der Newa zu prüfen. Von April bis November werden jede Nacht zwischen 1.30 und 5 Uhr alle Übergänge geöffnet, damit die großen Frachtschiffe freie Fahrt haben. Es ist die Attraktion für Touristen. Und das Ärgernis für Einheimische. Die Sperrung bringt nämlich erhebliche Einschränkung der Bewegungsfreiheit mit sich. Die Verbindungen ganzer Stadtteile sind damit stundenlang gekappt. Das wäre in etwa so, als würde es in Berlin auf einmal nicht mehr möglich sein, von Prenzlauer Berg nach Kreuzberg, in München nicht mehr von Trudering nach Laim, in Frankfurt nicht mehr von Sachsenhausen nach Bornheim zu gelangen. Irgendwie undenkbar.

Die Botschaft, die Diana überbringt, ist ein Stimmungskiller für die spontane Runde auf der Rubenstejna Straße. Die einheimische Künstlerin hatte sich nach der Arbeit dazugesellt und viel abseits des Fußballs erzählt. Aber nun musste eine rasche Entscheidung her. Denn die Öffnungszeiten der Brücken variieren ständig. Und was digital ausgewiesen wird, kann real noch ganz anders kommen. Je nachdem, wie viele Schiffe sich durch die schmale Öffnung zwängen, werden die Kolosse aus Stahl und Beton auch früher auf- und zugeklappt. Wer unbedingt ans andere Ufer muss, hat eigentlich nur drei Möglichkeiten. Erstens: Eilig eine Taxi-App bedienen, auf die Straße stürmen und die Gruppe ohne Abschiedsgruß verlassen. Zweitens: Warten bis mindestens drei Uhr, dann werden Blagoweschtschenski-, die Schloss- und die Tutschkow-Brücke für mindestens 20 Minuten wieder abgelassen. Drittens: Per Taxi einen großen Bogen schlagen über die hohe Autobahnbrücke im Süden, was mit bis zu einer Stunde Fahrtzeit verbunden ist. Wer sich wie der Autor dieser Zeilen in plötzlicher Panikattacke für die erste Variante entschieden hat, sollte sich zwingend am nächsten Morgen entschuldigen. Auch wenn es verdammt unhöflich war, aber um den WM-Endspurt halbwegs durchzustehen, braucht es wenigstens noch eine Mütze voll Schlaf. Sorry.
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