Bei den Menschenfischern im Mittelmeer

Die deutsche Marine rettet tausenden von Flüchtlingen aus Syrien und Afrika das Leben / Verteidigungsministerin von der Leyen macht sich vor Ort ein Bild davon.  

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Die Verteidigungsministerin auf der „Schleswig-Holstein“   | Foto: AFP
Die Verteidigungsministerin auf der „Schleswig-Holstein“ Foto: AFP
Die Hilfe naht in Gestalt martialisch anmutender Gesellen. Sie sehen aus wie außerirdische Krieger: Sie tragen Schutzanzüge, Stahlhelm, Mundschutz, Motorradbrille, sind mit Sturmgewehr, Pistole, Elektroschocker und Reizgas bewaffnet. In dieser Montur bewältigen Leute wie der Oberstabsgefreite Rico aus Oberhof den wohl am wenigsten umstrittenen Auslandseinsatz der Bundeswehr: Sie retten Flüchtlinge im Mittelmeer.

Am Wochenende hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen den Flüchtlingsrettern einen Besuch abgestattet. 40 000 Menschen sind allein in diesem Jahr über die offene See gekommen. Wenn die deutsche Marine sie in Empfang nimmt, sind die monströsen Schutzanzüge das erste, was die Flüchtlinge von der Festung Europa zu sehen bekommen. Sie sollen die Bundeswehrsoldaten vor Ebola und anderen Infektionsrisiken bewahren. Die kriegstaugliche Bewaffnung gilt eventuellen Terroristen. "Wir wissen ja nicht, wer mit welcher Motivation kommt", heißt es bei der Bundeswehr.

Rico ist seit Anfang Juni mit der Fregatte "Schleswig-Holstein" unterwegs, einem von zwei deutschen Schiffen, die bei der Seenotrettung helfen. Seit das Kriegsschiff als Rettungsboot unterwegs ist, hat es 2200 Menschen von den Seelenfängern der Schleuser aufs sichere Festland gebracht. Das Einsatzgebiet ist so groß wie Deutschland: Es reicht von der Stiefelsohle Italiens bis zur libyschen Küste.

"Ich fühle mich stolzer als Lebensretter", erzählt der 26-jährige Matrose Rico. Bei früheren Einsätzen jagte er Piraten am Horn von Afrika. Nun gilt seine Aufmerksamkeit vor allem verängstigten Kindern unter den Flüchtlingen. "Sobald wir die an Bord haben, sind sie wie ausgewechselt", berichtet er. Kinder bekommen als erstes einen Lolly und ein Plüschtier, wenn die Bundeswehr sie in Obhut nimmt. Das ist der Job von Benjamin, einem Waffentechnikoffizier. Jeder Flüchtling bekommt ein Plastikarmband mit Nummer. Dann müssen sie Handys, Messer und andere Waffen abgeben. Schließlich werden sie medizinisch untersucht. "Ich frag sie, ob sie happy sind", erzählt Benjamin. Dann sagt er ihnen: "You’re going to Europe." Doch das bleibt ein weiter Weg mit ungewissem Ziel. Er führt über die Flüchtlingslager in Sizilien, Sardinien und auf dem italienischen Festland.

Ursula von der Leyen lobt den ungewöhnlichen Einsatz der Soldaten in den höchsten Tönen. Aber sie weiß, dass Humanität allein nicht ausreichen wird, um der Flüchtlingskatastrophe Herr zu werden. "Sie verschaffen der Politik Zeit, um die wahren Probleme anzugehen", ruft sie den Soldaten zu. Seit Ende Juni ist die deutsche Fregatte und das Begleitschiff "Werra" der europäischen Anti-Schleuser-Mission "Eunavfor Med" unterstellt. Sie soll nun die Geschäfte der Menschenschmuggler ins Visier nehmen. Die Seenotrettung ist nur noch Nebensache.

Laut Operationsplan sollen die Marinesoldaten Netzwerke der Schlepper ausfindig machen und deren "Geschäftsmodell" zerstören. Doch das Lagebild ist diffus. Von der "Schleswig-Holstein" aus lässt sich anhand der Mobilfunk-Aktivitäten im libyschen Hinterland zwar ausmachen, wann neue Flüchtlingstrecks im Anmarsch auf versteckte Häfen sind, von wo die Boote auslaufen. Doch die Schleuserkriminalität wird an Land bekämpft werden müssen. Für einen robusten Einsatz bräuchte die EU ein UN-Mandat. Das ist ungewiss. So bleibt die "Schleswig-Holstein" vorerst mit Seeaufklärung und Rettungsaktionen beschäftigt.

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