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Coole Jobs im Untergrund

  • Charlotte Popp

  • Sa, 04. August 2001
    Zisch

     

Während oben die Menschen in der Hitze braten, schuften die Jugenddenkmal-Leute in der kühlen Unterführung.

Freiburg an einem trägen, sonnigen Sonntagnachmittag im Juli. Die Innenstadt ist wie ausgestorben. Am Bertoldsbrunnen treffen sich heute kaum Jugendliche, und das vermutlich auch nur, um auf dem schnellsten Weg ins Schwimmbad flüchten. Für alles andere ist es nämlich zu heiß. Am Siegesdenkmal rollen trotzdem wie immer viel zu viele Autos. Die Wettertafel zeigt überhöhte Ozonwerte an und das Atmen fällt schwer, die Haut klebt.

Auf der Suche nach Zuflucht schaut man sich mit zusammen gekniffenen Augen um - und wird fündig. In der Sonne strahlt neben dem Abstieg in eine Fußgängerunterführung ein großes gelbes Schild: "junges Kulturzentrum" steht drauf. Wenn man es sowieso schon bis zum Treppenabsatz in den Untergrund geschafft hat, kann man auch gleich mal reinschauen. Schon wieder gelbe Schilder: "Achtung Baustelle", warnen sie. Hinter zwei Bauzäunen führt die Treppe herunter bis vor eine Wand, die mit weißen Laken verhängt ist. In der Mitte gähnt ein schwarzes Loch, augenscheinlich die "Tür".

Dumpfes Dröhnen dringt aus der düsteren Öffnung hervor und ein rotes Fahrradmobil ist daneben zwischen Pizzakartons abgestellt. Die Sitze sind mühsam geflickt, der Anstrich ist auch nicht mehr der neueste. Auch das "Türlaken" zeigt Verschleißerscheinungen unten am Rand. Und in der Hitze dieses Tages ist überdeutlich zu riechen, dass diese Ecke nachts wohl des öfteren als Pissoir missbraucht wird. Die ozon- und abgasgeplagte Nase meutert: "Nicht auch das noch!" Also schnell hinein in die Dunkelheit. Schön kühl ist es hier! Die Augen brauchen eine Weile, bis sie sich ans Dunkel gewöhnt haben.

Inmitten einer Staubwolke und umgeben von ohrenbetäubenden Lärm vibrieren die Trommelfelle. Und dann sind allmählich in der Mitte des riesigen Raumes zwei Jugendliche mit Blaumann, Gehörschutz, Atemmaske und Schutzbrille zu erkennen. Sie bearbeiten mit einer Flex den Betonboden. Einer der beiden winkt rüber. Der Besucher nickt zurück und versucht sich vorzustellen, dass das hier zum jungen Kulturzentrum werden wird: Schon bald sollen im "Jugenddenkmal" - große Veranstaltungen stattfinden. Bühne, Scheinwerfer, DJ-Tische sollen eines Tages hier stehen, wo im Moment herabhängende Kabel, Holzstapel und Müllsacke die Einrichtung dominieren.

Allmählich beginnen die Besucher-Ohren endgültig gegen den Baulärm zu rebellieren, Flucht nach vorn ist angesagt - und die führt zwischen zwei großen Plastikplanen hindurch in einen breiten Gang. Auch hier sind zwei Jugendliche am Werk. Während ein Mädchen Tesastreifen auf den Boden pappt, ein junger Mann scheint mit großen Gesten und begeisterter Stimme Luftschlösser in den Raum zu bauen. "Nein, keine Luftschlösser", meint Frieder, "sondern die Theke für den Cafébereich, der hier rein kommt."

Als der Lärm draußen nachlässt, erzählt er von warmem Licht und Graffitiwänden, von variablen Deckenleuchten und Rahmenschienen für Ausstellungen. Nun schalten sich auch die beiden Flexer Jörg und Uli ein und es beginnt eine Diskussion darüber, ob man die "Bunkerstimmung" hier unten eigentlich eher nutzen oder lieber kaschieren sollte. Es folgen Fachsimpeleien über Normtiefen von Kühlschubladen und Sitzflächen von Barhockern, der Besucher geht einfach mal weiter, auch wenn der angrenzende dunkle Gang wirklich nicht sehr einladend ist.

Die schwere Eisentür fällt krachend ins Schloss, man steht in einem ziemlich vollgestopften Raum mit Bierbänken, Sofa, Computern und Regalen. Auf dem Sofa fläzen zwei Jungs und schlürfen Tee aus Ikea-Bechern. Über die Bierbänke ist ein riesiger Bauplan ausgebreitet. Aus einer Anlage tropft leise Musik und aus der Tür zum noch kleineren und noch vollgestopfteren Büro klingt das Klickern einer Tastatur. "Markus macht bei uns die Finanzen", erklärt Tobi vom Sofa aus, "der arbeitet in einem Steuerbüro und kennt sich da aus." Und Grossi ist Bauzeichner und für die Pläne zuständig: "Der kann mit Abkürzungen um sich schmeißen bis einem schwindlig wird", meint Tobi, "aber nach einiger Zeit blicken sogar wir da durch." "So halbwegs", fügt Michi hinzu und die beiden lachen und schütteln die Köpfe. Aber beide betonen, dass das schon wichtig ist. Schließlich soll der Verein auch später die Finanzen im Überblick behalten und die Unterführung in Schuss halten.

Alle "Bauarbeiter" im Jugenddenkmal haben dem Besucher reichlich abenteuerliche Geschichten zu erzählen von den langen Gesprächen mit der Stadt, die sich schon über fünf Jahre hinziehen. Und von den diversen Zitterpartien des Vereins, dass sich der große Traum vom jungen Kulturzentrum doch nicht erfüllen würde. Der Traum vom selbstverwalteten Kulturtreff unterm Siegesdenkmal für alle Freiburger Jugendlichen. Aber allen Hindernissen zum Trotz ist es bald soweit. Ende des Jahres wird eröffnet. Laut und lebhaft ist es jetzt schon. Draußen dröhnt wieder die Flex, laute Rufe, lautes Lachen, ein Sonntagnachmittag mitten in Freiburg.

Ressort: Zisch

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