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"Dafür bin ich Schröder dankbar"

  • Judit Hartmann

  • Do, 18. September 2003
    Zisch

     

Eingeschränkte Solidarität.

Ich weiß es noch. Ich kam von der Schule nach Hause und wollte ein bisschen schlafen. Ich schaltete den Fernseher an, um mich ein wenig berieseln zu lassen. ARD, ZDF, RTL, Pro Sieben, Sat 1. . . Ich ging alle Sender durch und sah überall einen einstürzenden Wolkenkratzer. Scheiß Film, dachte ich. Musste der jetzt am Nachmittag auf allen Kanälen gezeigt werden? Unmöglich! Ich schaltete den Fernseher aus, legte mich in mein Bett und begann zu lesen. Schöne Geschichten, in welchen träumen gestattet ist. Das Telefon klingelte. Eine aufgeregte Stimme am Ende der Leitung fragte nach meiner Mutter. Diese war nicht zu Hause, also fragte ich nach dem Grund des Anrufes. Von diesem kurzen Gespräch behielt ich bis jetzt - zwei Jahre später - nur noch Wortfetzen im Gedächtnis: Terroranschlag, New York, World Trade Center, Flugzeug. Mein Herz pochte. Erneut drückte ich den "On"-Knopf am TV-Apparat. Erneut sah ich den schlechten Actionfilm. Doch jetzt war er zur Wirklichkeit geworden. Fassungslos, mit tränenden Augen, sah ich mir das Geschehen auf dem Bildschirm an. Ein zweites Flugzeug raste in die Zwillingstürme des World Trade Centers. Ein weiteres war auf dem Weg zum Pentagon. Ein anderes, das auf das Weiße Haus zusteuerte, konnte gestoppt werden. Meine Gedanken in jenem Moment zu ordnen, war schwer bis unmöglich. Was war das am 11. September 2001?

Ich weiß es noch genau. Am Abend saß ich mit meiner Mutter auf dem Sofa und sah die Tagesschau und den anschließenden Brennpunkt an. Fakten, Tränen, Bilder, Tote, Leidende. Schröders Rede zur Nation machte Angst an jenem Abend. Ein Angriff auf die westliche Welt sei das gewesen. Er sagte den USA uneingeschränkte Solidarität voraus. Der Tag ging in die Geschichte ein und zwei Jahre später weiß ich, dass der deutsche Bundeskanzler die Sache mit der uneingeschränkten Solidarität nicht so genau genommen hatte. Dafür bin ich dankbar.

Dem Anschlag vor zwei Jahren folgten zwei Blitzkriege in Afghanistan und im Irak, die beinahe willkürlich starteten. Nordamerika hat sich gegenüber der UNO ins Aus gekickt. Wir begeben uns von einem Desaster in das Nächste. Was schlimm ist, wird schlimmer. Wie gerne würde ich jedoch an dieser Stelle: was friedlich ist, wird friedlicher schreiben.

Ressort: Zisch

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