Corona

Das kalte Gesicht

Fernunterricht macht auf Dauer keinen Spaß. Schlimmer noch: Lernen am Computer deprimiert. Ein Text von Héloise Gilbert aus dem Deutsch-Französischen-Gymnasium in Freiburg.  

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Lernen am Laptop.   | Foto: Felix Kästle (dpa)
Lernen am Laptop. Foto: Felix Kästle (dpa)
Error 404, Moodle ist wieder mal überladen. Tims Gesichtszüge verhärteten sich, seine Kiefer zuckten – und er biss die Zähne zusammen. Seine Faust schlug hart auf den Tisch. Tim fühlte die steigende Frustration. Die aktuelle Situation war bereits kompliziert und die Technik machte es ihnen nicht leicht. Die Nachrichten strömten auf der Whatsapp-Gruppe, aber Tim hatte sich kürzlich nicht einmal die Zeit genommen, sie zu lesen. Seine Klassenkameraden schienen ihm zu
weit weg zu sein.

Die Schüler waren sich nicht einig in diesen aussichtslosen Zeiten, jeder versuchte die Situation einigermaßen im Griff zu behalten. Tim wurde klar, wie einsam er jetzt war. Ganz alleine vor diesem Bildschirm. Wieder schlug Tim mit der Faust auf den Tisch und tauchte verzweifelt sein Gesicht in die Hände. Er erstarrte für einige Momente, um sich zu beruhigen. Dann schaute er durch sein Dachfenster, durch das er nur den Himmel sah. Es war staubweiß ohne Wolken. Langweilig, stumpf und undurchdringlich. Es wirkte leer, da war nur das imposante Nichts. Das Spiegelbild von Tims Innerem.

Er aktualisierte die Moodle-Seite einige Male impulsiv. Er schien es fast eilig zu haben. Aber wofür Eile in dieser auf Pause gestellten Welt ? Die Straßen waren menschenleer, die Stadtzentren tot und die Restaurants und Cafés bankrott. Eine ausgestorbene Welt, in der es nur um Arbeit und Wirtschaft ging. Aber die Regierung hatte nicht nur das Land unterbrochen, sondern auch Tims innere Welt auf Eis gelegt. Die ewige innere Leere. Keine Treffen mehr mit seinen Freunden, kein
Kaffee mehr mit seiner Großmutter, kein Schwimmtraining mehr, keine Schule. Nichts. Nur dieser
aggressiv leuchtende Bildschirm. Jeden Tag diese Abfolge identischer Handlungen. Aufstehen und
in diese virtuelle, parallele Welt hineintauchen. Das war die neue Normalität. Immer diese Stimmen ohne Gesichter, die sprachen und das eiskalte, ernsthafte Gesicht von Tim. Dieser junge, gebeugte Körper, zusammengerollt in seinem Bürostuhl. Ihr Lächeln war verblasst, allmählich und schweigend vor diesen Bildschirmen.

Zurzeit war der menschliche Kontakt eingeschränkt und das einzige Kommunikationsmittel war der öffentlicher Chat der grenzenlosen Welt von BBB. Tim
erinnerte sich an die Tage, an denen die Gesichter unbedeckt und bedingungslos ausdrucksstark waren, manchmal brauchte er nicht einmal zu sprechen, um sich den Menschen um ihn herum verständlich zu machen. Ein kleines Geräusch verjagte diesen Gedanken. "Hi everyone, Moodle is overload, here is the link of our videokonferenz", sagte die E-Mail
von Tims Englischlehrerin. Tim klickte auf den Link. Zu spät. Er war wieder in die BBB-Welt hineingetaucht. Und wieder diese eintönige Stimme und dieses kalte, tote Gesicht.

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