"Das Problem wäre einfach zu lösen"

ZISCHUP-INTERVIEW mit Felix Pfeifer, der seit einem knappen Jahr zur See fährt, um Geflüchtete vor dem Ertrinken zu retten.  

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Seenotretter halten Rettungswesten für die in Seenot geratenen Flüchtlinge bereit. Foto: Renata Brito (dpa)

Für Zischup-Autorin Paula Böhmer, Schülerin der Klasse 8d der Werner-Kirchhofer-Realschule in Bad Säckingen, ist Felix Pfeifer ein Held. Denn der 26-Jährige schippert durchs Mittelmeer, um Geflüchteten zu helfen. Paula Böhmer hat mit ihm gesprochen.

Zischup: Wieso haben Sie sich dazu entschieden, Seenotretter zu werden?
Pfeifer: Ich habe im Mai 2019 mein Studium in Maschinenbau und Verfahrenstechnik abgeschlossen. Schon während des letzten Studienjahres habe ich mich immer wieder gefragt, für was ich das eigentlich mache. Es hat sich falsch angefühlt, eine Arbeit zu machen, die zum Ziel hat, die bereits entwickelte Welt noch etwas besser zu machen. Ich habe erkannt, dass ich etwas machen wollte, was nicht weiter den Reichtum Europas fördert, sondern Menschen hilft, die von diesem Reichtum eben nichts abbekommen. Der Gedanke führte mich natürlich nicht direkt zur Seenotrettung, es war nur eine von vielen Möglichkeiten. Doch dann gab es diesen Vorfall im Juni letzten Jahres, bei dem die Sea-Watch 3 festgesetzt und Kapitänin Carola Rackete verhaftet wurde. Das hat mich unglaublich wütend gemacht. Direkt am nächsten Tag habe ich meine Bewerbung an alle Organisationen, die noch aktiv waren, versendet.

Zischup: Was hat Ihre Familie zu Ihrem Vorhaben gesagt?
Pfeifer: Ich hab das meiner Familie erst gesagt, als ich auf dem Schiff war. Meine Mutter fand es super. Mein Vater hat sich da ein bisschen mehr Sorgen gemacht. Er hat mich gefragt, ob es mir bewusst sei, was für schreckliche Dinge ich dort sehen kann. Aber er gab und gibt mir weiterhin seine volle Unterstützung.

Zischup: Wie lange waren Sie auf dem Schiff?
Pfeifer: Ich war das erste Mal vergangenen Juli für etwa zwei Wochen auf dem Schiff und habe im Hafen mitgeholfen, einen Einsatz vorzubereiten. Ab Mitte August war ich dann drei Monate an Bord und nach zwei Monaten Pause dann wieder seit Anfang Januar bis Mitte März.

Zischup: Fühlen Sie sich manchmal verlassen oder vergessen vom Staat?
Pfeifer: Ja. Vor allem in den Situationen, in denen wir Menschen gerettet haben und nach langem Warten einen sicheren Hafen zugewiesen bekommen. Die Geflüchteten werden dann meistens an Militärboote von Italien oder Malta übergeben, die sie an Land bringen. Allein diese kleinen, hochmodernen Boote kosten wahrscheinlich mehr als unser uraltes, zur Seenotrettung umfunktioniertes Schiff. Als ich diese Prozedur das erste Mal beobachtet habe, wurde mir klar: Das Problem wäre für die Europäische Union einfach zu lösen, wenn sie es nur wollte. Es ist auch übel, dass man sehr lange, manchmal bis zu zwei Wochen, mit vielen Menschen auf engstem Raum auf einen sicheren Hafen warten muss. Obwohl eigentlich die ganze Zeit feststeht, dass sie uns ja nicht auf dem Meer lassen können. Das ist ein Aussitzen der Entscheidung, ein absichtliches Hinauszögern, damit wir Zeit verlieren und nicht schnell wieder zurückfahren können, um weitere Menschen zu retten. Das ist das Bescheuerte an der ganzen Sache. Dass wir eigentlich die ganze Zeit unter Zeitdruck stehen, während die Behörden der jeweiligen Staaten, auf deren Hilfe wir jedoch angewiesen sind, so tun, als ginge es sie nichts an.

Zischup: Wie haben Sie sich auf die erste Seenotrettung vorbereitet?
Pfeifer: Es wurden im Hafen drei Tage vor der Abfahrt verschiedene Einsatzszenarien und Erste-Hilfe-Maßnahmen trainiert. Das wiederholt sich vor jeder Mission mit jeder neuen Besatzung.

Zischup: Was können Menschen, die nicht auf Ihrem Schiff sind, tun, um Sie und Ihre Crew zu unterstützen?
Pfeifer: Es braucht viele Spendengelder, um unsere Einsätze zu ermöglichen. Außerdem setzt sich ein Trend fort, dass die NGOs immer größere Schiffe kaufen und professionelle Crews einsetzen, um mehr Menschen retten zu können. Das war ursprünglich nicht das Ziel. Es ging darum, die Menschenrechtsverletzungen auf dem Mittelmeer zu dokumentieren und Europa anzuklagen: Da ertrinken Leute direkt vor deiner Haustür und du schaust zu! Die NGOs fordern bis heute eine staatliche, von der EU organisierte Seenotrettung. Doch die EU hat sich immer weiter zurückgezogen und damit begonnen, die NGOs für ihre Arbeit zu kriminalisieren. Um uns dagegen wehren zu können, brauchen wir die Unterstützung in der Gesellschaft und eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit für das Problem.

Zischup: Was haben Sie daraus gelernt?
Pfeifer: Dass jeder Mensch sich entscheiden kann, etwas gegen das, was ihn an der Welt stört, zu tun, oder aber das Gefühl einfach beiseite zu schieben und sein Leben zu leben. Allerdings belügt man sich in gewisser Weise dann selbst.
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