Tischtennis
Das Vermächtnis der Familie Spiess
Die Erstliga-Spielerinnen des ESV Weil haben eine weitere starke Saison gespielt. Dass Weil zu einer Tischtennis-Hochburg geworden ist, hat vor allem mit der Familie Spiess zu tun.
So, 22. Jun 2025, 7:00 Uhr
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Serge Spiess kann sich noch gut erinnern. "Eigentlich bin ich ja nur per Zufall zum Tischtennis gekommen", sagt der sympathische Sportchef des ESV Weil am späten Montagvormittag. Gemeinsam mit seiner Frau Doris, die bei den Eisenbahnern die Abteilungsleiterin gibt, hat er den kleinen Club zu einer großen Nummer im deutschen Tischtennis gemacht.
Dieses Frühjahr haben es die Erstliga-Spielerinnen seines Vereins zum bereits dritten Mal innerhalb der vergangenen fünf Jahre ins Halbfinale um die deutsche Meisterschaft geschafft. Eine große Überraschung.
Und bei den bescheidenen Anfängen des Clubs kaum zu erwarten. Denn als der einstige Judoka 1980 erstmals beim ESV aufschlug, stand es schlecht um die Tischtennis-Abteilung der Weiler. Der Kontakt zum filigranen Rückschlagsport kam durch einen Arbeitskollegen. "Mich hat es damals wegen der Arbeit nach Grenzach verschlagen – und da hat mich mein Kollege mitgenommen", erinnert sich Spiess.
Anfang der 1980er Jahre hat der ESV Weil nur ein einziges Aktiven-Team
Die Tischtennis-Abteilung drohte damals in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Der Verein hatte nur eine Aktiven-Mannschaft. "Und das in der untersten Spielklasse", wie sich Spiess erinnert. Doch Spiess – und bald auch seine Frau – waren begeistert vom Spiel mit dem kleinen Ball. Und engagierten sich zunehmend.
Ein entscheidender Schritt war die Verpflichtung des ehemaligen Klasse-Spielers Alen Kovac Mitte der 1990er-Jahre. Der Kroate ist bis heute hauptamtlicher Trainer beim ESV Weil. Mit Kovac begann ein Boom. In einer eigentlich im Tischtennis schwachen Strukturregion. "Heute haben wir fünf Männer- und drei Frauen-Teams", sagt Spiess stolz.
Das Flaggschiff des Vereins ist das Frauen-Erstliga-Team. Vor einem halben Jahrzehnt schaffte die Kovac-Equipe erstmals den Aufstieg. Einmal musste das Team seitdem den Gang in die zweite Liga antreten. Doch dann gelang der direkte Wiederaufstieg. Und im Anschluss der erneute Einzug ins Halbfinale.
Erst im Halbfinale kommt das Aus
"Manchmal", sagt Spiess, "da muss ich mich zwicken, dass wir dieses Jahr eigentlich um die Meisterschaft gespielt haben." Denn gegen den TTC Weinheim schied Weil vor zwei Wochen im Halbfinale denkbar knapp aus. "Im entscheidenden Moment waren die Weinheimerinnen einfach abgeklärter", sagte Doris Spiess damals.
Mit etwas Abstand ist ihnen nun aber klar: Diese Saison ist rundum positiv zu bewerten. "Es war eine hervorragende Runde", sagt Serge Spiess und freut sich. Ihm und seiner Frau ist es im Anschluss gelungen, fast den gesamten Erfolgskader zusammenzuhalten. Einzig die Chilenin Daniela Ortega, die für Spanien aufläuft, verlässt den Verein. "Und das auch nur sehr ungern", wie Spiess sagt. Ortegas Nationaltrainer machte Druck, will seine Athletin im eigenen Land haben. Durchgehend.
Und damit kommt man zur großen Besonderheit des ESV: Denn Familie Spiess hat das Kunststück fertiggebracht, einen ausgesprochen erfolgreichen Pendlerinnen-Verein aufzubauen. Denn in Weil wohnt eigentlich keine Spielerin. Das Ensemble von Kovac trainiert überall auf dem Globus verteilt.
Erfolgreicher Pendlerinnen-Verein
Anna Hursey lebt und trainiert in ihrer Heimat Wales, Kornelija Riliskyte in Litauen, Ortega in Spanien. Selbst die deutsche Nachwuchshoffnung Lea Lachenmayer weilt nur in den Spieltagswochen in Weil. Auch die Nachfolgerin Ortegas, die Norwegerin Martine Toftaker, pendelt künftig aus Skandinavien nach Südbaden.
Einzig die Ukrainerin Ievgeniia Sozoniuk ist mittlerweile in Weil heimisch. Sozoniuk ist ein weiteres Puzzlestück des Weiler Erfolgs. Als sie damals – vor knapp zehn Jahren – erstmals zum ESV wechselte, war der gerade in die zweite Bundesliga aufgestiegen. Die Ukrainerin pendelte zwischen ihrer Heimat Kiew und Weil. Und verwandelte Weil mit ihren starken Auftritten in ein Topteam. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine wohnt Sozoniuk dauerhaft in Südbaden.
Und seither ist der kleine ESV im Tischtennis eine große Nummer, die Sporthalle der Leopoldschule, wo die Erstliga-Frauen ihre Heimspiele austragen, regelmäßig ausverkauft. Vor allem dank der Familie Spiess.
Für Serge Spiess ist das ein Anreiz, weiterzumachen. "Etwas aufzubauen, ist schwer, aber noch schwerer ist es, etwas zu erhalten", sagt er.
Wenn man seine Geschichte kennt, weiß man, dass er das in Weil schaffen wird.
