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"Uns steht die Prämie zu"

  • Di, 27. Februar 2018
    Südwest

BZ-INTERVIEWmit Edgar Engist, Schäfer aus Bollschweil und Mitglied im Bundesverband Berufsschäfer.

Edgar Engist   | Foto: Susanne Müller
Edgar Engist Foto: Susanne Müller

FREIBURG. Eine Weidetierprämie für Schafe und Ziegen fordert der Bundesverband Berufsschäfer. Nur so sieht er eine Überlebenschance für die Branche in Deutschland. Dora Volke sprach mit dem Schäfer Edgar Engist aus Bollschweil über die Gründe und die Finanzierung der geforderten Prämie.

BZ: Herr Engist, der deutsche Bundesverband Berufsschäfer fordert eine Weidetierprämie für Schafe und Ziegen. Warum haben es die Hirten zur Zeit so schwer?
Engist: Wir haben schon seit Jahren das Problem, dass wir keinen Nachwuchs mehr bekommen. In Baden-Württemberg gibt es heute noch ungefähr 110 hauptberufliche Schäfer. Als Schäfer arbeitet man zwölf oder vierzehn Stunden am Tag – und das 365 Tage im Jahr. Fünf bis sechs Euro verdient ein Schäfer die Stunde, wenn überhaupt, zum Teil ist es noch weniger. An der Wolle verdienen wir auch nicht mehr: Vor dem Zweiten Weltkrieg hat die Wolle noch zwei Drittel des Jahreserlöses ausgemacht. Heute sinkt der Wollpreis immer weiter, sodass man beim Scheren eher draufzahlt. Auch die Bürokratie mit Behördengängen und Genehmigungen wird immer schlimmer. Man muss schon mit Leib und Seele Schäfer sein, um diesen Beruf heute noch zu machen.
BZ: Weshalb braucht man heute noch Schäfer?
Engist: Wir Schäfer sind Dienstleister für die Gesellschaft. Wandernde Schäfer sind das älteste Handwerk, das wir haben. Unsere Schafe tragen zur Artenvielfalt und zur Landschaftspflege bei. Sie halten die Flächen offen und stören keine anderen Tiere beim Brüten. Wir Schäfer beweiden viele Steillagen, die man nicht mit der Maschine befahren kann. Ohne Geld können wir das nicht mehr lange machen. Laut EU ist die Schäferei ein gefährdeter Sektor: Die Zahlen an Schafen und Ziegen sind dermaßen rückläufig, da bleibt sehr viel Naturschutzfläche liegen, die nicht mehr gepflegt wird und zuwächst. Wenn das so weitergeht, ist die Schäferei in Deutschland in ein paar Jahren kaputt.
BZ: Was unterscheidet die geforderte Weidetierprämie von anderen Förderungen im Agrarbereich?
Engist: Früher gab es die Mutterschafprämie: Wenn der Lammfleischpreis herunterging, hat man mehr Mutterschafprämie bekommen. Die Weidetierprämie ist nicht produktionsfördernd. Sie soll rein dafür sorgen, dass der Schäfer ein besseres Einkommen erhält für die Landschaftspflege, die er in den Regionen betreibt. Nur so könnten viele Betriebe ihre Kosten bezahlen. Und vielleicht würden sich dann auch wieder mehr junge Leute für diesen Beruf entscheiden.
BZ: Wie soll die Prämie finanziert werden?
Engist: Man muss dazu sagen: In 22 EU-Mitgliedsstaaten gibt es schon seit Jahren die Weidetierprämie für Schaf- und Ziegenhalter. In Deutschland sollen Schäfer 38 Euro pro Muttertier bekommen. Die Prämie ist nicht von anderen landwirtschaftlichen Subventionen abhängig. Sie würde aus dem EU-Haushalt bezahlt, nicht von den Bundesländern. Das Geld soll umgelagert werden von den Zahlungsansprüchen, die Landwirte pro Hektar haben. Die würden pro Hektar etwa 2,50 Euro weniger Subventionen bekommen. Laut EU-Recht steht uns Schäfern diese Weidetierprämie zu. Aber unsere Politik hat vor fünf Jahren zu wenig dafür getan – wir sind in der Landwirtschaftslobby am wenigsten vertreten, weil wir immer weniger werden. Deshalb brauchen wir die Unterstützung der Gesellschaft. Damit unsere Betriebe erhalten bleiben.

Edgar Engist (57) aus Bollschweil ist seit 43 Jahren Schäfer. Bereits mit fünf Jahren hat er sich für diesen Beruf entschieden. Engist ist Mitglied im Bundesverband Berufsschäfer und hat etwa 270 Schafe, aber auch ein paar andere Tiere wie Ziegen oder Graugänse.

Ressort: Südwest

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