Hai-Forscher

"Der Mensch ist keine Beute des Hais"

BZ-INTERVIEW mit dem Hai-Experten Erich Ritter über die Begegnung des Surf-Weltmeisters Mick Fanning mit einem Weißen Hai.  

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Riesiges Glück hatte der Surfer Mick Fanning, als am Sonntag neben ihm der Weiße Hai auftauchte. Foto: AFP

FREIBURG. Es waren dramatische Szenen: Der vierfache Surf-Weltmeister Mick Fanning wartete während eines Turniers in Südafrika auf eine Welle, als plötzlich ein Weißer Hai neben ihm auftauchte. Fanning konnte Helfer rufen, die ihn schnell in Sicherheit brachten, der Wettkampf wurde abgebrochen. BZ-Redakteur Michael Saurer fragte den Schweizer Hai-Forscher Erich Ritter, wie viel Glück Fanning gehabt hat – und warum eine solche Begegnung auch am Mittelmeer passieren kann.

BZ: Herr Ritter, wie viel Glück hat Fanning gehabt, unbeschadet zu entkommen?

Ritter: Ich würde sagen, dass er sehr viel Glück gehabt hat, denn das war ein ziemlich großer Weißer Hai. Wobei ich aber nicht so weit gehen würde, das Ganze als Angriff des Hais zu werten.

BZ: Was war es denn dann?

Ritter: Der Hai hat sich wohl in der Leine verheddert und dann haben beide rumgezappelt, was die Sache sehr unübersichtlich gemacht hat. Prinzipiell gehört der Mensch nicht zur Beute des Hais.



BZ: Trotzdem gibt es jedes Jahr tödliche Zwischenfälle zwischen Mensch und Hai.

Ritter: Das ist richtig. Es gibt von den 500 Haiarten ungefähr zwölf, die für den Menschen gefährlich werden können. Und pro Jahr werden ungefähr 80 bis 100 Unfälle mit Haien gemeldet, von denen im Durchschnitt aber nur fünf bis zehn tödlich enden. Es ist also eine sehr geringe Zahl. Wie gesagt, der Mensch passt nicht ins Beuteschema, sonst wäre die Zahl um ein Vielfaches höher.

BZ: Aber warum greifen Haie dann überhaupt Menschen an?

Ritter: Es wird oft behauptet, dass der Hai zum Beispiel einen Surfer mit einer Robbe verwechseln würde. Das ist aber falsch. Der Hai hat eine sehr feine Nase und erkennt Robben von Weitem. Beim Surfer wird er aber unsicher und weiß nicht, was das eigentlich ist, dass er da vor sich hat. Er macht dann einen sogenannten Gaumenbiss, um zu testen, was das sein könnte. Das ist kein richtiger Biss, er drückt sein Opfer nur an den Gaumen in Richtung der Geschmacksknospen. Das klingt dramatisch, in den meisten Fällen haben die Menschen danach aber nur oberflächliche Wunden.

BZ: Kann denn eine solche Begegnung mit Haien auch in Europa, beispielsweise im Mittelmeer passieren?

Ritter: Absolut. Von den erwähnten zwölf Haiarten, die für den Menschen gefährlich werden können, leben fast alle auch im Mittelmeer. Nur der Bullenhai ist dort eher selten. Aber der Blauhai, der Tigerhai und eben auch der Weiße Hai sind dort gar nicht so selten. Das Mittelmeer ist ein gutes Gewässer für Haie, weil es relativ warm ist. Das einzige Problem ist, dass sie dort ein bisschen wenig Nahrung haben. Dennoch sollte man das Mittelmeer bezüglich Hai-Diversität nicht unterschätzen. Für den Weißen Hai ist es sogar ein typischer Gebärplatz.

BZ: Überall im Mittelmeer oder gibt es typische Hai-Gewässer?

Ritter: Das ist saisonabhängig. Besonders im Herbst und Winter haben wir oft Weiße Haie vor Südfrankreich, Korsika und um Elba herum. Zwischen Sizilien und Tunesien haben wir Gebärstätten, wo wir immer wieder frischgeborene Weiße Haie finden. Generell gehört die Küste Italiens sicherlich zum Zentrum der europäischen Population des Weißen Hais.

BZ: Das klingt beunruhigend. Nicht wenige werden bald am Mittelmeer Urlaub machen. Was muss ich tun, wenn ich beim Schwimmen plötzliche die typische Rückenflosse neben mir sehe?

Ritter: Das Wichtigste ist, sich nicht zurückzuziehen. Also auf keinen Fall versuchen, so schnell wie möglich ans Ufer zu kommen. Am besten begeben Sie sich in eine vertikale Position und hören mit allen Bewegungen auf, gerade die Beine sollte einfach hängen. Wenn man sich bewegt, dann höchstens um die eigene Achse, mit dem Hai zusammen. Wenn man auf einem Surfbrett sitzt, sollte man vom Brett weggehen und es mit etwas Abstand stabilisieren, damit es durch die Wellen nicht noch mehr Geräusche kreiert.

BZ: Das heißt, das was Mick Fanning gemacht, nämlich wild zu strampeln, war eigentlich falsch.

Ritter: Richtig, das ist das absolut Schlechteste, was man in so einer Situation tun kann. Damit lockt man den Hai nur noch mehr an. Wie gesagt, Mick Fanning hat einfach Glück gehabt.

Erich Ritter gilt als einer der renommiertesten Experten im Bereich der Hai-Mensch-Interaktion. Er hat an der Universität Zürich in Verhaltensbiologie promoviert und forscht seit 35 Jahren über Haie in den Weltmeeren.

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