Der Mythos der faulen Jugend

Kritik an der jungen Generation gibt es bereits seit Jahrtausenden.  

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BERLIN (dpa). Faul und respektlos soll sie sein, die "Jugend von heute", nur auf sich fixiert und unfähig, die Zukunft zu gestalten. Was sich wie eine Litanei aus der heutigen Zeit anhört, stammt aus der griechischen Antike. Selbst Wissenschaftler beschäftigen sich nun mit der Frage, warum oft so eine Wut auf die junge Generation herrscht.

Sie lieben den Luxus, ärgern die Lehrer und lümmeln herum – mehr als 400 Jahre vor Christus hatte der griechische Denker Sokrates viel an den jungen Leuten seiner Zeit auszusetzen. "Die Jüngeren stellen sich den Älteren gleich und treten gegen sie auf, in Wort und Tat", moserte dann sein Schüler Platon. Und als Platons Zögling Aristoteles erwachsen war, sah es noch düsterer aus: Er verzweifle an der Zukunft der Zivilisation, wenn er die Jugend sehe, wird der Philosoph zitiert.

Kritik an der Jugend ist ein uraltes Phänomen. Seit Tausenden von Jahren bekritteln Erwachsene die junge Generation, fürchten den Verfall der Sitten. Heute geht es oft um die sogenannten Millennials. Die 1980er und 1990er Jahrgänge seien faul, selbstmitleidig, besessen von Selfies und Superfoods, stänkert etwa ein britischer Journalist.

"Es gibt aus vielen antiken Kulturen Belege für dieses Stereotyp der respektlosen jungen Männer", sagt der britische Althistoriker Matthew Shipton. Er hat den Zoff zwischen den Generationen im antiken Athen erforscht: "Man findet dort ziemlich viel von dieser Vorstellung, die wir heute auch noch kennen: Alles wird immer schlechter, man lebt in der schlimmsten aller Zeiten und Kinder respektieren ihre Eltern nicht mehr."

David Finkelhor hat ein Wort dafür erfunden: Juvenoia. Darin stecken die Bestandteile juvenil und Paranoia – das steht für die Angst vor der Jugend und zugleich auch die Angst um die Jugend. "Es geht um die übertriebene Besorgnis vor dem Effekt, den soziale Veränderungen auf Kinder haben", erklärt der Soziologe der Universität New Hampshire. "Wir ziehen gerne den Schluss, dass es schlecht um unsere Kinder steht. Und dass das wiederum unserer Gesellschaft schaden wird."

Im 20. Jahrhundert sei der Ton in wissenschaftlichen Standardwerken ähnlich, sagt Günter Mey, Entwicklungspsychologe der Hochschule Magdeburg. "Es ist häufig ein extrem negativer, defizitärer Blick, immer schon gedacht von der Ziellinie einer etablierten, erwachsenen Person." Der junge Mensch wird als unfertiger Erwachsener gesehen – schlimmstenfalls gefährlich, nie ernstzunehmend.

Finkelhor sagt: Als Spezies, die sich in stabilen Verhältnissen entwickelt hat, haben Menschen evolutionär bedingt Angst vor Veränderungen. "Auf einer gesellschaftlichen Ebene geht es darum, dass ich Hüter bestimmter Werte oder Institutionen bin, die ich bewahren will", so der Soziologe. "Und ich gehe dann davon aus, dass die jungen Leute sie angreifen, abschaffen oder untergraben werden."
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