Pisa-Studie

Deutsche Schüler sind noch immer keine Spitzenreiter

Die erste Pisa-Schulstudie vor mehr als zehn Jahren war ein Schock für Deutschland: Die 15-jährigen Schüler schnitten im internationalen Vergleich schlecht ab. Doch Deutschlands Schüler haben laut der neuen Studie deutlich aufgeholt.  

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Mag der vollständige Name "Programme for International Student Assessment" auch sperrig sein, die Kurzform "Pisa" schaffte es zur Jahrtausendwende auf Anhieb ins kollektive Gedächtnis eines Landes, das sich bis dahin als klassische Bildungsnation verstand. Vom "Pisa-Schock" war die Rede, weil deutsche Neuntklässler dieser Bildungsvergleichsstudie zufolge im Jahr 2000 international nicht einmal Mittelmaß waren. Seitdem steht das deutsche Bildungssystem auf dem Prüfstand, hektische Reformbemühungen waren die Folge. Die aktuelle Pisa-Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigt, dass diese Anstrengungen Wirkung zeigen.

Die Bildungsforscher, die mit der Vergleichsstudie das Niveau in 65 Länder und Regionen bewerten, kommen zum Ergebnis, dass die 15-Jährigen in Deutschland mit ihren Leistungen in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften zur Spitzengruppe in Europa aufgeschlossen haben. Erstmals werden für Deutschland in allen drei Bereichen überdurchschnittliche Werte ausgewiesen, in Mathematik entspricht der Lernvorsprung zum Durchschnitt ein halbes Jahr.

Für die besten Zehn reicht es aber nach wie vor in keiner Prüfkategorie. Der Abstand zu den Spitzenreitern aus Asien bleibt groß. 15-Jährige aus den Regionen Shanghai, Singapur, Taipeh und Hongkong sind Gleichaltrigen aus Deutschland noch immer um zwei bis drei Schuljahre voraus. Allerdings sind die Lernmethoden in diesen Ländern umstritten, weil Druck und fast schon militärischer Drill oftmals prägende Bestandteile der Pädagogik sind.

Der "eigentliche Skandal" des ersten Tests war nach Ansicht von OECD-Bildungsdirektorin Barbara Ischinger, dass in kaum einem anderen Land der Schulerfolg so stark vom Einkommen und von der sozialen Herkunft der Eltern abhing wie im reichen Deutschland. Dieser Zusammenhang sei in den vergangenen Jahren "weit schwächer" geworden und entspreche nun dem OECD-Durchschnitt. Das dürfe die Politik aber nicht davon abhalten, die noch immer beklagenswerte Gerechtigkeitslücke weiter zu schließen. Noch immer haben Schüler aus wirtschaftlich besser gestellten Familien in Mathematik in Deutschland im Schnitt einen Leistungsvorsprung gegenüber Gleichaltrigen aus armen Elternhäusern von knapp anderthalb Schuljahren.

Der Schwerpunkt der aktuellen Studie liegt im Bereich Mathematik. Pisa problematisiert in diesem Lernsegment nicht mehr so sehr den Lernstand der Getesteten. Vielmehr richtet die aktuelle Studie das Augenmerk auf die unterschiedlichen Leistungen von Jungen und Mädchen.

In Deutschland erzielten die Jungen demnach in Mathematik durchschnittlich 14 Punkte mehr als die Mädchen (20 Punkte entsprechen einem halben Schuljahr). Seit dem Pisa-Schwerpunkttest in Mathematik aus dem Jahr 2003 hat sich die Leistungskluft um fünf Punkte vergrößert. Im OECD-Mittel schneiden die Jungen elf Punkte besser ab. Besonders stark ist laut Pisa-Studie das Gefälle bei den Spitzenleistungen. 20 Prozent der Jungen rechnen in Deutschland im obersten Leistungsbereich. Bei den Mädchen sind es nur 15 Prozent.

Mädchen bleiben

in Mathe schlechter

Ischinger lässt das Klischee nicht gelten, wonach Mädchen generell über weniger mathematisches Talent verfügten. Es sei außerdem auch nicht zutreffend, dass Mädchen in allen Ländern, wenn sie die Wahl hätten, eher zum Buch als zum Taschenrechner griffen. Vielmehr lasse sich nachweisen, dass Mädchen in Mathematik in Deutschland über ein geringeres Selbstwertgefühl verfügten als Jungen. Selbst da, wo Jungen und Mädchen gleiche Leistungen vorweisen könnten, seien Mädchen dem Fach Mathematik negativer eingestellt. Die Angst vor Mathematik sei bei Mädchen größer, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sei geringer, ebenso die Ausdauer und die Motivation beim Lernen. Hier müsse angesetzt werden.

Ischinger wagte in diesem Zusammenhang eine These: "Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch gesund ist, sich ehrenamtlich betätigt und sich eher als Gestalter, denn als Objekt politischer Prozesse empfindet, steigt mit den Mathekompetenzen". Größeren Nachhall dürfte ihr Hinweis hervorrufen, dass mit Blick auf Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit "Politiker, Lehrer und Eltern alles daran setzen sollten, das Interesse der Mädchen zu wecken und ihre Potenziale voll auszuschöpfen." Im Oktober war eine Vergleichsstudie des Instituts zur Qualitätsentwicklung in der Bildung ebenfalls zu diesem Ergebnis gekommen.

Forderungen aus der Wirtschaft, wonach der Mathematikunterricht ausgeweitet werden sollte, sind laut Ischinger berechtigt. In anderen OECD-Ländern werde mehr Mathematik gelehrt. Fortschritte seien vor allem im Unterricht zu erzielen. Eine Stunde Unterricht brächte einen größeren Lernerfolg, als eine Stunde für die Bewältigung von Hausaufgaben.

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