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Die Armee braucht keine Rambos in ihrem "flüsternden Riesen"

  • Do, 16. August 2001
    Zisch

     

Für die Presse bewies die Bundeswehr kürzlich vielseitige Abenteuerqualitäten auf ihrem Vorzeigestützpunkt "Graf Zeppelin" im norddeutschen Nordholz.

Ein bisschen ist es, als öffnete der Abenteuerspielplatz Bundeswehr für geladenes Pressevolk seine Pforten. Fern ab der großen Städte liegt - nahe der Nordsee - der Militärflugplatz des Marinegeschwaders 3 "Graf Zeppelin". Eine Welt voll Spannung und Abenteuer verbirgt sich hinter dem 16 Kilometer langen Sicherheitszaun. Hier können sich 1800 Soldaten an sechs verschiedenen fliegenden Waffensysteme ausprobieren, die ständig geflogen, gewartet und auch eingesetzt werden wollen.

"Jeder Tag ist in diesem Beruf voller Überraschungen", strahlt denn auch Fregattenkapitän Horst Zimmermann mit funkelnden Augen. Auf dem Programm steht für die Presseleute ein Flug über Helgoland mit der Breguet Atlantic. Das ist eines von den sechs Waffensystemen, auch als "flüsternder Riese" bekannt. Eigentlich jagt dieser Flieger U-Boote. "Heute", versichert der Fregattenkapitän, "werden wir nur auf dreißig Meter runterfliegen. Das ist leichte Kost." Der Gedanke an eine Spannweite von 37 Meter und eine Höchstgeschwindigkeit von 648 Stundenkilometer erzeugt beim ungeübten Mitflieger allerdings schon ein flaues Gefühl in der Magengegend. Ein nicht sehr angenehmer Vorgeschmack auf den Traum vom Fliegen. Doch auch das Innere der Breguet ist nichts für schwache Nerven. Im Dämmerlicht blinken Signallampen nervös in allen Farben, die Armaturenbretter sind voll von Knöpfen und Schalthebeln mit undefinierbarer Funktion. Der Boden ist mit großen silbernen Stahlkisten zugestellt, irgendwo am Rand sind die Sicherheitstüren, erkennbar an der schwarz-gelben Umrandung. Knapp über den Köpfen baumeln die dunkelgrünen Schwimmwesten. Nur für den Ernstfall natürlich.


"Keiner fliegt dann Kamikaze oder fühlt sich wie Rambo." Guido Golnik (Unteroffizier)

"Die Sicherheitsanzüge sind feuerfest", beteuert Operator Millhahn, "und da drunter noch langärmlige Unterwäsche. Nach acht Stunden Arbeit steigen wir schweißdurchtränkt aus dem Flieger." Die Triebwerke des "flüsternden Riesen" heulen auf, das Dröhnen der Motoren wird beißend laut. Das Abenteuer beginnt. Die Breguet saust Richtung Sonne. Helgolands Küste taucht auf, friedliche Häuserreihen und beschauliche Badeparadiese sind schemenhaft erkennbar. Doch von dieser grenzenlosen Freiheit über den Wolken spürt die Crew nichts, wenn sie zum Beispiel Einsätze im Balkan fliegt: "Das ist ein ganz mulmiges Gefühl", gesteht Unteroffizier Guido Golnik. Und noch eins ist für den 25-jährigen sonnenklar: "Keiner fliegt dann Kamikaze oder fühlt sich wie Rambo." Solche Einsätze sind hart. Und wollen vor allem auch psychisch verarbeitet sein. "Im Urlaub", erzählt Operator Millhahn mit leiser Stimme, "träume ich, dass meine Kameraden abstürzen. Wenn man dann im Ernstfall einen Kameraden wirklich nicht retten kann, muss man das zu Hause verarbeiten."

Damit aber bei einem Absturz die Soldaten möglichst nicht mit dem Leben bezahlen müssen, absolvieren sie einmal im Jahr ein "Sea Survival Training", ein Überlebenstraining auf See. "Bei den Wassergewöhnungsübungen bekommen unsere Leute das Werkzeug an die Hand für den Notfall, der hoffentlich nie eintritt", versichert Kapitänleutnant Markus Veltel. Das heißt zunächst mal, vier Tage Vorbereitung in einem 33 Grad warmen Wasserbecken auf das "Open Sea Training" in der schäumenden, eiskalten Nordsee. Ermüdend ist es, sich immer wieder mit dickem Schutzanzug und Atemmaske vom Fünf-Meter-Turm ins Wasser zu stürzen und sich von Zugseilen wie ein nasser Sack durch das Wasser schleifen zu lassen, - so als ob der Wind den Fallschirm übers Meer zerrt. "Wir testen hier, wie die Soldaten psychisch mit dem Element Wasser fertig werden", erläutert Kapitänleutnant Veltel das Konzept. "Und wenn sie dann im Ernstfall wirklich im Wasser liegen, realisieren sie erst spät, dass das gerade kein "Top Gun"-Spiel war." Allerdings ist im Schutzanzug sogar Nähzeug, damit sie sich wie seinerzeit Rambo im Verletzungsfall den Arm flicken können. "Die Soldaten bekommen vorher so einen Drill", versichert Veltel, "dass sie dann alles blind richtig machen."

Wenn im Notfall alles glatt gehen soll, müssen die Soldaten also täglich künstliche Stresssituationen durchhalten. Eine extrem hohe Belastung für Körper und Seele. "Es ist unheimlich beruhigend", so Kapitänleutnant Dieter Anders, "wenn ich dann bei einem Entspannungsprogramm mit Musik die Welt vergessen kann." Diese Welt voller Abenteuer.

Madeleine Arens

Mehr zur Kampagne der Bundeswehr unter http://www.bundeswehr.de

Ressort: Zisch

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