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Die Magie des Unerwarteten

  • Marco Krefting (dpa)

  • Mi, 10. Oktober 2018
    Panorama

Harry-Potter, die Ehrlich-Brothers und ein deutscher Weltmeister – Zaubern wird immer beliebter.

Kartentricks gehören zum Einmaleins der Zauberei. Foto: Adobe (2)/dpa
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PULLACH. Ein beschwörender Blick, die silberne Kugel scheint zwischen seinen Händen zu schweben. Harold Voit folgt ihr sacht. Dann, ein kurzer Moment der Unachtsamkeit, die Kugel droht zu fallen. Doch Voit fängt sie auf. Für die Schüler in der Zauberakademie Deutschland, die Voit vor gut 35 Jahren gegründet hat, ist das eher ein simpler Trick. Sie lernen heute in Pullach bei München mit einer Spielkarte in einem Geldschein zu zaubern.

"Kartenzauberei ist bei Jugendlichen stark im Kommen", sagt Voit. Überhaupt ist die magische Anziehungskraft der Zauberei auch gut 20 Jahre nach Veröffentlichung des ersten Harry Potter-Bandes und dem damit ausgelösten Hype ungebrochen. Es seien viele Zaubertheater entstanden, zu denen Leute hingehen, sagt Michelle Spillner vom Magischen Zirkel Deutschland. Früher sei der Zauberer zu den Menschen gekommen, zum Beispiel auf Firmenfeiern.

Zudem gebe es etwa mit den Ehrlich Brothers wieder mehr Magie im Fernsehen zu sehen. "Und unsere Jugendworkshops haben so viel Zulauf wie nie", sagt Spillner. Zum ersten Mal sei die Anfrage zum Treffen im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein mit 60 Plätzen so groß gewesen, dass nicht alle kommen konnten. "Die Jugendworkshops sind unsere Kaderschmiede", sagt Spillner. Die Ehrlich Brothers seien hier ebenso gewesen wie Marc Weide, der im Juli bei der Weltmeisterschaft der Zauberkunst in Südkorea den ersten Platz in der Sparte Salonmagie belegte – mit einem Kartentrick. Der sagte jüngst: "Ich möchte den Menschen zeigen, warum man in manchen Dingen Kind bleiben sollte und wie man Kind bleiben kann. Die Zauberei ist ein super Medium dafür."

Das Kindliche sei ein Grund für die Faszination an der Zauberei, erklärt Psychologin Amory Danek von der Uni Heidelberg. "Das Hirn ist so programmiert, dass wir Gelegenheiten suchen, wo Unerwartetes passiert." Im Fachjargon heißt das Erwartungsverletzung. "Kindern passiert es ständig, dass das Weltbild nicht passt. Wenn wir denken, die Kugel fällt – aber sie schwebt plötzlich. Dann will man wissen, warum." Es sei ein nützlicher Mechanismus, um dazuzulernen.

Außerdem löse der Überraschungsmoment positive Emotionen aus und mache neugierig. Auch deshalb wollten selbst manche Erwachsene nicht alle Tricks wissen und gäben Geld für Zaubershows aus. Spillner sagt dazu: "Menschen haben immer noch Hoffnung auf Übernatürliches."

Rund 3000 Mitglieder zählt der Magische Zirkel. Dass immer mehr zur Zauberzunft gehören wollen, merkt der Verband an steigenden Aufrufen der Rubrik "Zaubern lernen" auf der Internetseite. Im Netz finden Interessierte Erklärvideos. "Das ist ein ganz gutes Ding, um Leute mit Zauberei zu infizieren", sagt Spillner. Aber meist seien die Clips zu schlecht, um gut zaubern zu lernen.

Ähnlich äußert sich Zauberakademie-Leiter Voit: "Das ist ja der ganz große Unterschied, dass wir Dozenten haben, die Sie korrigieren, die Ihnen sagen: Hier nochmal, das war verkehrt. Und das geht bei Youtube eben nicht. Da macht man einfach nur nach." Für 750 Euro kann man bei ihm in vier Semestern à 36 Stunden Zaubern studieren. Zauberei bestehe aus fünf Grundformen, sagt Voit: erscheinen, verschwinden, zerstören und wieder ganz machen, wandeln sowie schweben. "Den Letzten finde ich am schönsten. Da sieht man über längere Zeit das Wunder der Magie."

Neben Tricks und Kniffen geht es in den Workshops auch um die Persönlichkeit: "Man muss lernen, sich selbst zu erkennen", sagt Voit. "Es gibt unendlich viele Zauberkunststücke, die einfach nur vorgeführt werden." Die Schüler sollen aber lernen, Menschen zu unterhalten. Dafür bekommen sie auch von Profis Schauspiel- und Sprechunterricht.

Wer im Trend liegen will, bietet Mentalmagie. Vor 30 Jahren sei die noch unbedeutend gewesen, sagt Voit. "Wir haben mit Federblumen und Glitzerrequisiten gezaubert, vielleicht noch ein Glitzerjäckchen angehabt." Heute heiße es: "Ich weiß, was du denkst", sagt Voit. "Das ist Mentalmagie in ihrer schönsten Form."

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mi, 10. Oktober 2018: PDF-Version herunterladen

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