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Die Mappacher und ihre Dämpfi

Martina Philipp
  • Sa, 12. Oktober 2019
    Efringen-Kirchen

Einst lieferte die Maschine Schweinefutter und Erinnerungen für Schulkinder, heute feiert ein ganzer Ortsteil um sie herum ein Fest.

Hunderte Kartoffeln garen in der Dämpfmaschine während des Fests 2013.  | Foto: Reinhard Cremer
Hunderte Kartoffeln garen in der Dämpfmaschine während des Fests 2013. Foto: Reinhard Cremer
EFRINGEN-KIRCHEN. Als Bernd Geitlinger noch ein Kind war, wickelte er im Oktober immer vor der Schule etwas Salz in ein Zeitungspapier. "Den Salzstreuer durfte ich nicht mitnehmen, der war zu wertvoll." Irgendwann, mitten im Unterricht, habe der Schulmeister das Fenster aufgerissen und "Wie lange geht’s noch" gerufen. Wenn die Kartoffeln, die unten vorm Schul- und Rathaus in Mappach in einem riesigen Maschinenungetüm gedämpft wurden, fertig waren, zischte es einmal laut. Dann durften die Kinder mit ihrem Salz in der Hand rausrennen und sich eine heiße Kartoffel ergattern.

Die 1936 gebaute Dämpfmaschine war keineswegs ein vereinfachter Vorläufer des heutigen Foodtrucks. Vielmehr gehörte die Maschine einer Genossenschaft, die dort Schweinefutter zubereitete. In Mappach – heute mit rund 400 Einwohnern ein kleiner Ortsteil von Efringen-Kirchen – gab es damals noch zahlreiche landwirtschaftliche Betriebe. "Fast jeder Hof hatte ein bis zwei Schweine", erinnert sich Ortsvorsteher Helmut Grässlin. In jedem Hof stand auch ein Silo, in dem die Landwirte die gedämpften Kartoffeln luftdicht lagerten. Einer von ihnen hatte mal Sorgen, dass die 30 Schulkinder ihm zu viele Kartoffeln wegfuttern würden. "Ach, lass sie doch", bekam er laut Bernd Geitlinger zu hören, die Schulkinder würden sich noch in 50 Jahren an die dampfende Kartoffel in ihrer Hand erinnern. "Er hat recht gehabt", sagt er und lacht.

Zeiten ändern sich, und Mitte der 80er Jahre – längst gab es immer weniger Schweine in Mappach – rostete die gute alte Dämpfi in einer Scheune vor sich hin. Bernd Geitlinger stand daneben, als der Schrotthändler sie eines Tages abholen wollte. "Sie tat mir leid", erinnert sich der Mappacher. "Ich kaufe das Ding", hörte er sich plötzlich sagen, und ringsum ertönte lautes Gelächter und "Du Dubel"-Rufe. Einer seiner Freunde, der mittlerweile verstorbene Karlheinz Hollenwäger, hatte jedoch denselben Gedanken. Beide zahlten sie dem wütenden Schrotthändler zur Besänftigung 100 Mark – und machten sich daran, die Maschine an vielen Feierabenden zu restaurieren. Nach etlichen Monaten dampfte und zischte sie wieder wie neu. "Und was machen wir jetzt damit?", fragten sich die Männer.

Etwas, woran sich wohl Kinder aus Mappach noch in 50 Jahren erinnern werden: 1986 feierte das Dorf sein erstes Dämpfifest. Es gab Kartoffeln mit Quark und Münsterkäse sowie Bauernwürste aus der Dämpfi, der Erlös ging an die Aktion Sorgenkind. "Die Resonanz war Bombe", wie Helmut Grässlin sagt, und daran sollte sich auch nichts mehr ändern. Alle zwei Jahre feiert Mappach seither das Fest – und bis zu 2000 Besucher kommen. Für diesen Sonntag stehen 700 Kilogramm Kartoffeln bereit – und mindestens ebenso viele Würste. "Pommes und Steaks kriegt man das ganze Jahr" nennt Grässlin einen Grund für den Ansturm, für den 150 der 400 Mappacher mit anpacken. Der Erlös des Fests geht traditionell an eine soziale Einrichtung aus der Region.

Mit einem alten Traktor wird die Dämpfmaschine am Sonntag aus Uwe Breunigs Scheune geholt. Marc Stöckle und er sind die Männer an der Maschine. Sie heizen rechtzeitig an, müssen immer wieder Holz nachlegen, Wasser nachfüllen und schauen, dass das Wasser nicht zu heiß wird – "sonst spuckt die Dämpfi oben raus", wie Breunig sagt. Jeweils drei Körbe Kartoffeln passen in die drei Kessel, in 300 Liter Wasser werden sie gedämpft. Zig Anfragen gebe es jedes Jahr, ob sie nicht ihre Maschine ausleihen möchten, berichtet Ortsvorsteher Grässlin. Aber da sei man sich einig im Ort, "unsere Dämpfi geben wir nicht her".

Das Dämpfifest findet am Sonntag, 13. Oktober, ab 11 Uhr an der Gemeindehalle Mappach statt.

Ressort: Efringen-Kirchen

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