Drei Kilo Schminke? Hallo Oberzicke!
Vorurteile hat jeder, auch wenn das niemand gern wahrhaben will und gerne unvoreingenommen durch die Welt gehen würde.
Selina Cataltepe & Ines Schwendemann
Sa, 26. Mär 2016
Neues für Schüler
Thema: Jugendredaktion Lahr
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"Vorurteile sind stabile negative Einstellungen gegenüber Gruppen, beziehungsweise Personen, die dieser Gruppe angehören." Klingt stocknüchtern, was die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt. Ist aber gar nicht lustig für die Gruppe. Denn oft halten sich Vorurteile bockelhart, obwohl sie nicht auf eigenen Erfahrungen beruhen, sondern bequem übernommen werden. Und mal ehrlich: Jeder hat welche – oder?
Wir haben wirklich keine Vorurteile: Wir waren ja schließlich auf dem Gymnasium, da legt man Wert auf gutes Benehmen. Ob wir in Lahr auf dem Gymnasium waren – sehen wir so aus? Man kann sich ja nur zwischen Pest und Cholera entscheiden. Für die assigen Maxler, die versnobten CSGler oder die arroganten Scheffler. Das sollen Vorurteile sein? Ach was, das sind doch klare Fakten, schau dir die Schüler doch mal an.
Und nicht nur die Schüler. Den Lehrern sieht man ja schon aus 200 Metern Entfernung ihr Fach an, oder etwa nicht? Nun gut, vielleicht haben wir das ja nur aufgeschnappt. Und du studierst nicht Jura? Trotz Seidenblüschen und Bleistiftrock? Und du gehörst nicht zu den Naturwissenschaftlern, trotz Brille und Hemd in der Hose? Sorry, da haben wir wohl vorschnell geurteilt. Passiert uns normalerweise nie. Wir haben schließlich keine Vorurteile. Wir liegen eigentlich immer richtig, das ist unsere Erfahrung. Zum Beispiel neulich war eine von uns im Buchladen, und der Verkäufer wollte mir unbedingt ein Buch andrehen. Da ich aber immer richtig liege, was meine Bücherwahl angeht, wusste ich sofort, dass das nichts für mich ist. Blümchen und Schmetterlinge auf dem Cover – seit wann stehe ich auf kitschige Liebeskacke? War mir dann egal, dass das ein historischer Roman sein sollte. "Don’t judge a book by its cover"? Soll ich es etwa zuerst lesen bevor ich es kaufe, oder wie soll das gehen?
Wir haben wirklich keine Vorurteile, man merkt das doch schließlich. Als Freunde letztens mit so ’ner Tante in Minirock, gefärbten Haaren und drei Kilo Schminke ankamen, wussten wir gleich: Hallo Oberzicke! Als sie dann erzählten, dass ihre Hobbies Kart fahren und Tuba spielen sind, dachten wir, die haben sich bestimmt verhört. Außerdem sollen sie aus Seelbach kommen. Bestimmt so eine schlagerhörende Dorfdiskoschnecke. Wobei: Wär’s besser, sie käme aus Sulz oder Ottenheim?!
Wenn wir nachts einem großen Typen mit Kapuzenpulli und Händen in den Hosentaschen auf der Straße begegnen, machen wir einen Bogen drum. Aber das sind nur Vorsichtsmaßnahmen. Schließlich wissen wir von der Schwester einer Bekannten, dass sie einen kennt, die eine kennt, deren Schwager schon einmal verschlagen wurde von einem, der genau so aussah. Oder sah er selbst so aus? Ach wir wissen es nicht mehr, aber ist ja auch egal. "Ich habe keine Vorurteile, nur Schwaben haben Vorurteile", heißt es im Lied der Band "Antilopengang". Ja gut, vielleicht haben wir ein paar, aber nur sehr wenige, denn ist das nicht auch normal? Wir sind schließlich die Jugend von heute, die hat ja viele Vorurteile. Oder ist das auch nur ein Vorurteil?
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