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Eine Milliarde Austern für New York

  • dpa

  • Fr, 10. Mai 2019
    Panorama

Schüler und Freiwillige pflanzen die Muscheln zurück in den Hafen der Metropole – sie sollen dort das verschmutzte Wasser filtern.

Ein Schüler hält einige Austernschalen...„Billion Oyster Projects“.  | Foto: dpa
Ein Schüler hält einige Austernschalen im Labor des „Billion Oyster Projects“. Foto: dpa

NEW York (dpa). Mächtige Hochhäuser, rumpelnde U-Bahnen und verstopfte Straßen – dafür ist New York bekannt. Aber Austern? Nach dem Verlust des Titels als Austern-Welthauptstadt wollen Umweltaktivisten den Schalentieren zum Comeback verhelfen.

Als Henry Hudson 1609 mit seinem Dreimaster in den New Yorker Hafen segelte, der damals noch gar nicht so hieß, dürfte der Engländer alles mögliche im Kopf gehabt haben: Konflikte mit Ureinwohnern, die Gesundheit seiner Crew, die immer noch erfolglose Suche nach einem Seeweg in Richtung Asien. Was Hudson eher nicht geahnt haben dürfte: Im Wasser zogen sich kilometerweit Austernbänke.

Heute ist schwer vorstellbar, dass die Metropole mit 8,5 Millionen Einwohnern einmal den Titel als Austern-Welthauptstadt trug. Über 890 Quadratkilometer verteilten sich die Riffs in New York bei Hudsons Ankunft – das entspricht der Fläche der Stadt Berlin. "Man musste nicht weit ins flache Wasser gehen, um Austern wie reife Früchte zu pflücken", schreibt Mark Kurlansky in seinem Buch "The Big Oyster – History on the Half Shell" (deutsch: Die große Auster – Die Geschichte auf der halben Schale) über die Salzwasser-Spezialität.

Anfang des 20. Jahrhunderts hatten die New Yorker alle Austern gegessen. Manhattan wuchs in die Breite und Höhe, und die sumpfig-steinigen Ufer im Tidengewässer – ein ideales Zuhause für Austern – wurden von Schottwänden und Piers verdrängt. Hinzu kamen tonnenweise Abwasser und Chemikalien. Erst mit einem umfassenden Gesetz zur Reinhaltung des Wassers von 1972 kam die Wende. Die Frage war nur: Können sich die abgeernteten und getöteten Bestände erholen und dank ihrer hohen Filter-Leistung vielleicht sogar helfen, die Wasserqualität zu verbessern?

Hier setzt das "Billion Oyster Project" an, das pro Woche 3,6 Tonnen Austernschalen von etwa 80 Restaurants der Stadt recycelt und in Brutgebiete für Austern-Larven verwandelt. In sogenannten Hafenlabors werden dafür zunächst Keimzellen in Wassertanks befruchtet. Die dabei entstehenden Larven werden mit Algenkulturen versorgt und nach zwei bis drei Wochen in Tanks zu den Restaurant-Schalen gesetzt. Dieses Andocken gelingt bei 10 bis 40 Prozent der Larven, die sich dann in Austern verwandeln. In schwimmenden Käfigen und später an neu gebauten Riffs und Gittern wachsen sie schließlich weiter. Essbar sind die so gezüchteten Austern allerdings nicht, dafür ist das Wasser im Hafen zu verschmutzt.

28 Millionen Austern haben Schüler – die öffentlichen Schulen binden das Non-Profit-Projekt in ihren Unterricht ein – und Freiwillige in fünf Jahren seit Projektbeginn bereits gepflanzt. Was nach viel klingt, ist für Direktor Pete Malinowski erst der Anfang. Ziel seien eine Milliarde Austern, geschafft sind also gerade einmal 2,8 Prozent. Eine Milliarde Austern würden das stehende Wasser im Hafen (Zu- und Abfluss vom Atlantik nicht mit berechnet) einmal alle drei Tage reinigen, sagt Malinowski.

Den Organisatoren des Projekts geht es um noch mehr, nämlich eine stärkere Verbindung der Bewohner zum Hafen und dem Lebensraum. "Die meisten New Yorker leben fußläufig zum Wasser, die meisten Straßen enden am Wasser, trotzdem identifizieren sich die New Yorker nicht als Bewohner einer Hafenstadt", sagt Malinowski.

Beim Austern-Projekt waren bisher mehr als 6000 Schüler und 9000 Helfer direkt oder indirekt beteiligt. Einer von ihnen ist der 17 Jahre alte Jaelin McGriff, der sich im Hafenlabor um die Larven kümmert. Auch wenn die Austern im New Yorker Hafen nicht essbar sind, habe er die Schalentiere bereits im Restaurant probiert, sagt McGriff. Die biologische Seite des Ganzen ist ihm aber lieber: "Ich mochte es, aber es hatte einen schleimigen Nachgeschmack. Meine Art von Essen ist das nicht."

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 10. Mai 2019: PDF-Version herunterladen

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