Account/Login

Eine schreckliche Nacht

  • Sa, 08. November 2008
    Panorama

Vor 70 Jahren wurden die Synagogen angezündet und die Geschäfte jüdischer Bürger zerstört

Hetze gegen die Juden: „Kauft nicht bei Juden“, steht auf dem Plakat. Foto: FOTOS: dpa/bamberger
1/2
n diesem Wochenende finden überall Veranstaltungen und Gottesdienste zur Erinnerung an die Pogromnacht vor 70 Jahren statt. Viele Kinder werden sich fragen, was das war und was da geschehen ist.

Damals waren die Nationalsozialisten in Deutschland an der Macht. Sie bedrohten alle, die anderer Meinung waren als sie. Ganz besonders aber verfolgten sie die jüdischen Deutschen, die sie vertreiben oder töten wollten. Sie hatten kaum noch Rechte, die meisten durften nicht mehr in ihren Berufen arbeiten. Sie durften nicht in Restaurants gehen, Kinos besuchen, Straßenbahn fahren. Am Ende war ihnen eigentlich alles verboten. Am Abend des 9. November 1938 begannen überall Jugendliche und Männer, die Nazigruppen angehörten, die Geschäfte zu demolieren, die jüdischen Deutschen gehörten. Sie drangen auch in die Wohnungen ein und plünderten. Die Polizei griff nicht ein, selbst als Menschen misshandelt wurden. Stattdessen nahm sie die Opfer gefangen. Die jüdischen Gebetshäuser wurden angezündet. Auch in Freiburg brannte die Synagoge, die auf dem Platz vor der Universität stand, völlig aus. Ähnliches ereignete sich in Emmendingen, Ettenheim, Kippenheim, Lahr, Offenburg, Kehl oder Lörrach – einfach überall, wo jüdische Bürger lebten.
Es ist sehr schwer, dies zu verstehen und sich daran zu erinnern. Auch für die Familien, die Opfer wurden, war es nicht leicht, über diese Ereignisse zu sprechen. Das war auch bei der Fernsehmoderatorin und Schriftstellerin Amelie Fried so. Ihr Großvater und ihr Vater kamen ins Konzentrationslager. Dort wurden alle eingesperrt, die anders waren, als sich das die Nazis vorstellten. Millionen von Menschen wurden dort ermordet. Nur wenige überlebten so wie Amelies Papa und Opa. Aber sie wollten und konnten nicht über das sprechen, was sie erlebt hatten. Als Erwachsene hat Amelie Fried nachgeforscht und in ihrem Buch "Schuhhaus Pallas. Wie meine Familie sich gegen die Nazis wehrte" alles aufgeschrieben. In einer neuen Ausgabe von Willys VIPs "Wer fand heraus, wie Opa unter Hitler litt? Amelie Fried" (ARD, 8. November, 10.03 Uhr) berichtet sie darüber. Sie will dazu beitragen, dass sich alle an die Verbrechen erinnern, damit jeder darauf achtet und eingreift, wenn andere Menschen beschimpft und bedroht werden. Dazu braucht man Mut. Den hatten vor 70 Jahren nur wenige Menschen.
Die Erinnerung wachhalten sollen auch die "Stolpersteine", die in Freiburg und in mehr als 300 anderen Orten in die Gehwege eingelassen sind. Auf den Messingtafeln stehen die Namen der jüdischen Menschen, die in den Häusern davor einmal gelebt haben. Man kann ihr Geburtsdatum lesen, wohin sie verschleppt wurden und wann sie starben. Über diese Stolpersteine soll niemand fallen. Sie sollen uns nur dazu bringen nachzudenken. Zum Beispiel auch darüber, ob das in Ordnung ist, wenn Mitschüler beschimpft werden, weil ihre Eltern nicht aus Deutschland stammen.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 08. November 2008: PDF-Version herunterladen

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel