Endlich in Rente

"Es gibt noch so viele Bücher, die man lesen sollte"

Wie kann man den neuen Lebensabschnitt genießen? Ein Interview mit meinem Großvater Magnus Reich.  

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  | Foto: monticellllo - Fotolia
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Mein Großvater wurde 2005 pensioniert, meine Großmutter ein Jahr später. Sie waren Lehrer mit Leib und Seele. Die Schule und alles, was dazugehörte, war der absolute Mittelpunkt ihres Lebens.
Sie haben um das Haus, in dem sie wohnen, einen recht großen Garten, der in einem ordentlichen, aber pflegeleichten Zustand war. Die Gartenarbeit wurde von beiden nebenher verrichtet und zwar nur soweit, dass keine Wüste entstand.

Zischup: Hast du dich auf den neuen Lebensabschnitt vorbereitet, oder anders gefragt, hattet ihr schon Pläne, was ihr machen werdet?
Reich: Pläne hatten wir keine großartigen, wir ließen den neuen Lebensabschnitt einfach mal auf uns zukommen. Ein Freund von uns, der auch Lehrer war, aber auch Maler und Gartengestalter, machte im Jahre 2005 den Vorschlag, unseren Garten ganz neu zu gestalten. Begeistert gingen wir auf den Plan ein. Heute ist unser Garten ein Prachtstück.

Zischup: Es ist euch also nicht langweilig geworden, weil ihr nicht mehr im Beruf wart?
Reich: Absolut nicht, wenn wir nichts tun wollen, tun wir nichts, dann legen wir uns auf den Rasen und lesen, es gibt noch so viele Bücher, die man lesen sollte.

Zischup: Wie waren die ersten Wochen im Ruhestand?
Reich: Entspannt! Ich habe mich in den letzten Jahren meiner Dienstzeit am meisten darauf gefreut, dass ich im Winter nicht mehr so früh durch den vielen Schnee der Schwäbischen Alb fahren muss und endlich ausschlafen kann, solange ich will. Das genieße ich. Endlich kann ich morgens die Zeitung von vorne bis hinten lesen und nicht nur im Schnelldurchgang.

Zischup: Fühlt man sich älter, wenn man nicht mehr im Beruf ist?
Reich: Nun, es ist ja mal eine Tatsache, dass man älter geworden ist, sonst wäre man nicht raus. Aber das ist doch normal und gut so. Denn in jedem Beruf müssen wieder junge Menschen übernehmen. Und gerade in der Grundschule haben die Kinder lieber eine junge Lehrerin als eine Oma. Und solange jeder von uns noch einigermaßen fit ist, tatsächlich noch etwas Brauchbares zustande bringt, noch auf Reisen gehen kann, fühlt man sich nicht alt.
Alle Menschen wollen alt werden, aber nicht älter.

Zishup: Vermisst du deinen Beruf oder haben dir manchmal die Schüler oder die Kollegen gefehlt? Ich habe schon gehört, dass manche Rentner in ein Loch fallen.
Reich: Nein bestimmt nicht. Ganz im Gegenteil.
Wir haben unsere ehemaligen Schulen nur ganz wenige Male besucht, wenn wir eingeladen waren.
Zu Hause haben wir alles, was zum Umfeld Schule gehört, ausgemistet, man wird im Haus kaum etwas finden, was an Schule erinnert. Wir helfen unseren Enkeln bei den Hausaufgaben, aber mehr nicht.
Entspannend ist es auch, sich das ganze Leben nicht mehr nach dem Stundenplan einzurichten und sich nicht mehr mit unzufriedenen Eltern beschäftigen zu müssen.

Zischup: Was hat sich sonst noch verändert?
Reich: Wir sind viel mehr als früher in Freiburg, um das Stadtleben genießen und zum SC Freiburg ins Stadion gehen

Zischup: Stimmt es, dass Rentner keine Zeit haben?
Reich: Manchmal habe ich wirklich das Gefühl, dass dem so ist. Das liegt aber wahrscheinlich daran, dass man sich zu viel vornimmt. Manchmal sage ich mir, wie haben wir es nur geschafft, Beruf und Haushalt und Garten zufriedenstellend zu erledigen.
Es wurde erledigt, aber eben anders. Heute hat man Zeit, also kann man sich auch viel vornehmen, wenn man noch aktiv sein kann.

Zischup: Reicht die Pension aus, oder muss man Erspartes angreifen?
Reich:Das kann man so pauschal nicht beantworten
Es kommt auf die Höhe der Pension an, es kommt auf den Lebensstil an, es hängt davon ab, ob man Reserven hat, die man auch tatsächlich ausgeben kann. Das ist in jeder Familie anders.

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