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"Es ist doch so: die Taliban sind einfach psychomäßig drauf!"

  • Sa, 06. Oktober 2001
    Zisch

JUZ-INTERVIEW: Der Freiburger Musiker Malik - mittlerweile mit eigener CD und Videoclip auf dem Musikkanal Viva vertreten - ist gebürtiger Afghane.

"Malik" aus Freiburg heißt mit richtigem Namen Mir Mohamed Ismael Hares und stammt aus Afghanistan. Malik wird nicht etwa gesucht, vielmehr ist er ziemlich gefragt: der Youngster-Rapper hat gerade seine erste große Single "Oh!No!" auf den Markt gebracht - tatkräftig unterstützt von namhaften Kollegen wie Xavier Naidoo - und das Video dazu läuft täglich auf Viva. Maliks Eltern sind von Kabul nach Deutschland geflohen, als er ein halbes Jahr alt war. Für die JuZ sprach Michaela Rhino mit dem 23-jährigen Musiker, der in Freiburg aufwuchs - und inzwischen in Mannheim lebt.

JuZ: Du hast dir hier in Deutschland eine ansehnliche Karriere aufgebaut, hast hier deine community. Fühlst du dich deinem Geburtsland noch zugehörig?
Malik: Ja und nein. Ich hege keine speziellen Gefühle zu Afghanistan. Meine Heimat ist Deutschland und die meisten meiner Verwandten leben hier. Untereinander sprechen wir persisch und afghanisch und ich glaube an Allah. Also ist der kulturelle Bezug schon da, aber nicht zu Afghanistan direkt.
JuZ: Sind deine Eltern wegen der Taliban aus Afghanistan geflohen?
Malik: Nein, die hatten damit nichts zu tun; vielmehr die Sowjets. 1978 marschierten sie in Afghanistan ein, um dort eine kommunistische Diktatur zu errichten. Mein Vater war damals stellvertretender Rektor einer deutsch-afghanischen Schule, Leiter vieler Austauschprogramme und sehr liberal veranlagt. Er wollte unter einem solchen Regime nicht leben. So sind meine Eltern nach Deutschland geflohen. Die Taliban kamen erst später. Die revolutionären Gruppen im Land, vor denen die Sowjets schließlich kapitulierten, zerstritten sich untereinander. Die Taliban, die gewalttätigste und radikalste Gruppierung gewann den folgenden Bürgerkrieg und errichtete eine Militärdiktatur. Damit hatte sich für meine Eltern die Frage der Rückkehr natürlich erübrigt.
JuZ: Du warst in jungen Jahren ja mal Gangmitglied der Freiburger "Bloods", die auch öfters in Schlägereien verwickelt waren - hast du daraus was gelernt?
Malik: Das ist mir schon fast peinlich, das war Kinderkacke damals. Gedankenloser Mist, den man mit dreizehn, vierzehn eben so macht. Gelernt hab ich daraus auf jeden Fall, dass Gewalt keinen Sinn hat. Und dass man seine Zeit sehr viel sinnvoller nutzen kann und soll.
JuZ: Was hältst du von Osamar Bin Laden?
Malik: Bin Laden ist für mich der personifizierte Satan. Ich kann ihn nicht ausstehen. Es ist bitter und beschämend für alle intellektuellen Muslime, was er da heraufbeschwören will. Und er ist ja nicht mal Afghane sondern Araber. Genauso wie viele der Taliban, die jetzt die Afghanen unterdrücken.
JuZ: Wie erlebt das deine Familie?
Malik: Als sehr bedrückend. Da sind Millionen Menschen unter einer Militärdiktatur, und die Bevölkerung ist unschuldig, geschwächt und kann sich nicht wehren. Afghanische Zivilisten, wie es meine Eltern auch mal waren.
JuZ: Empfindest du das voraussichtliche Vorgehen der Amerikaner als krass?
Malik: Also ich befürworte einen Gegenschlag auf jeden Fall. Mit Bedacht natürlich, nicht wahllos in der Gegend rumbomben. Aber mit reden kannst du einfach nichts bewirken, hat man ja schon versucht. Es ist doch so: die Taliban sind einfach psychomäßig drauf. Die meisten sind Analphabeten und haben keine Ahnung von weltpolitischem Denken oder Agieren - sonst würden sie wohl kaum Amerika den Krieg erklären. Ich würde es sogar gut finden, wenn es eine provisorische amerikanische Übergangsregierung gäbe, wenn die Taliban geschlagen sind, damit dieses gebeutelte Land endlich mal zur Ruhe käme.


"Ich befürworte einen Gegenschlag auf jeden Fall." Malik (Rapper)

JuZ: Teilst du also nicht die Angst, mit dem Gegenschlag beginne ein Krieg?
Malik: Nein, ich denke, das ist vollkommen übertrieben. Bis auf ihre Anführer sind die Taliban - wie gesagt - im Mittelalter lebende Analphabeten, die sich ein paar Kalaschnikovs geklaut haben. Die haben nicht viel dagegenzusetzen, sobald der Rest der Welt einmal zum Schlag ausholt.
JuZ: Könntest du dir vorstellen, über diese schwierige momentane Situation einen "aktuellen" Song zu schreiben?
Malik: Also weißt du, ich halte sehr viel von Prinzipien. Und ich rede hier gerne mit dir über die Lage der Menschen in Afghanistan. Aber in meine Musik würde ich es nicht einfließen lassen, da bin ich rigoros. Ich will auf gar keinen Fall aus dem Leid anderer Menschen Kapital schlagen. Das fänd' ich widerlich.
JuZ: Was soll deine Musik den Hörern denn an Inhalten sonst so vermitteln?
Malik: Natürlich die üblichen Dinge. Sie sollen sich einfach angesprochen fühlen in ihrem Denken und ihren feelings. Aber vor allem ist mir wichtig, dass man auch raushört, mit wie viel Arbeit das verbunden ist. Kein kommerzielles, hingeklatschtes Wischiwaschi, sondern extrem viel Schweiß, Input und Arbeit stecken in dieser Musik; das Herzblut vieler Leute. Der Aufbau ist mühselig - unabhängiges Label, keine Kohle, wenig Möglichkeiten. Du musst eben mit weniger Zutaten den Kuchen so backen, dass er trotzdem schmeckt.
JuZ: Du hast mal gesagt, rappen bedeutet für dich die psychische Befreiung von physikalischen Grenzen. Hast du noch so einen guten Spruch für unsere Leser?
Malik: Klar. Jeder sollte sein Ding durchziehen, sich nichts aufdrängen lassen. Versucht die Träume in euren Herzen umzusetzen. Habt aber auch Respekt vor jedem noch so kleinen Helfer einer Hilfsorganisation, der in seinem Schaffensdrang einen Beitrag leistet, unsere Welt besser zu machen. Amen.



Mehr Infos über Maliks Musik unter http://www.mcmalik.de oder im Plattenladen.

Ressort: Zisch

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 06. Oktober 2001: PDF-Version herunterladen

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