Kriminalität
Falsche Zeit, falscher Ort: Mann nach Bluttat in Psychiatrie
In Hochdorf wird ein Mann beim Joggen erstochen. Der Täter steht fest, da ist sich das Gericht sicher. Und sein Motiv? Das bleibt im Dunkeln. Freigesprochen wird er dennoch. Zumindest formell.
Martin Oversohl (dpa)
Di, 8. Jul 2025, 14:32 Uhr
Baden-Württemberg
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Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa).
Die BZ-Redaktion hat diese Meldung nicht redaktionell bearbeitet.
Stuttgart (dpa/lsw) - Was wäre gewesen, wenn ihr Mann nur ein paar Minuten später zum Joggen aufgebrochen wäre? Oder wenn er einfach einen anderen Weg durch Hochdorf (Kreis Esslingen) gewählt hätte? Doch an jenem Novembermittag lief der 56-Jährige genau dem Mann über den Weg, der ihn – nach Überzeugung des Landgerichts Stuttgart – in blinder Wut mit einem Messer töten sollte. "Er war schlicht zur falschen Zeit am falschen Ort", sagte die Richterin bei der Urteilsverkündung.
Dass der 25-jährige Afghane der Täter war und sein Opfer nicht kannte, steht für das Gericht außer Frage. Dennoch wurde er nicht wegen Mordes verurteilt. Der Mann habe zur Tatzeit an einer bereits länger bestehenden Psychose gelitten, hieß es. Damit sei er schuldunfähig – ein Gutachten bestätigte diese Einschätzung. Regungslos verfolgte der Angeklagte das Urteil. Er wird nun dauerhaft in einer Psychiatrie untergebracht.
Messerangriff kam völlig überraschend
Es war ein völlig überraschender Messerangriff mitten am Tag: Der 25-Jährige stach mehrfach auf den Jogger ein – mit tödlichen Folgen. Nur wenige Tage zuvor war der Mann aus einer Asylunterkunft in Hochdorf in eine andere nach Wernau verlegt worden. Außerdem hatte es nach Zeugenaussagen einen Streit um einen Schraubenzieher gegeben. Die Ermittler sehen in diesen Ereignissen den Nährboden für die Eskalation. Die Beweislage sei "handfest", so das Gericht.
Der Angeklagte selbst hingegen sprach bis zuletzt von einer Verschwörung: Polizei und Justiz hätten Beweismittel manipuliert, behauptete er. Die Blutflecken auf seiner Kleidung seien ihm untergeschoben worden. Er habe niemanden angegriffen – und sei auch nicht krank.
Richterin: "Er wusste, dass da ein Mensch stirbt"
Das Gericht hielt diese Darstellung für unglaubwürdig. "Wenn einer einem anderen Menschen vier heftige Stiche vor allem in die Herzregion versetzt, dann will er ihn schlicht töten", sagte die Richterin. "Und dass dort ein Mensch stirbt, das hat er trotz seiner Einschränkung erkannt."
Mit ihrem Urteil folgte die Kammer den Forderungen von Staatsanwaltschaft und Nebenklage. Der Fall sei an "Tragik nicht zu überbieten". Das Opfer habe stets zurückgezogen mit seiner Frau gelebt und sei Konflikten am liebsten aus dem Weg gegangen. "Die Frage, warum es dann passiert ist, kann nur der Angeklagte beantworten. Deshalb wird das im Dunkeln bleiben", sagte der Staatsanwalt. Der Verteidiger verzichtete auf eine konkrete Strafmaßforderung.
Psychiatrie statt Gefängnis – ein gravierender Unterschied
Für das Gericht ist die Einweisung in eine Psychiatrie keine milde Entscheidung. "Sie ist unbefristet und keine zeitlich festgelegte Strafe", betonte die Richterin. Der Mann müsse so lange behandelt werden, bis Fachleute sicher ausschließen könnten, dass er noch eine Gefahr darstelle. "Das aber steht in den Sternen", sagte die Richterin. Der Angeklagte habe sich bisher nicht mit der Tat auseinandergesetzt – und keine Einsicht in seine Erkrankung gezeigt.
Das Urteil ist bislang nicht rechtskräftig.
© dpa-infocom, dpa:250708-930-771710/3