Tokio
Finger weg von der Geisha! Schilderwahn in Japan
Japans Schilderwälder sehen für deutsche Augen oft sehr kurios aus / In Zeiten des boomenden Tourismus kommen ständig neue hinzu.
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TOKIO. Sie können witzig sein, urkomisch, kreativ und zuweilen nervig – und sie sind beinahe überall zu finden. Es gibt wohl kein Land, das mit so vielen Verbots-, Warn- und vor allem Benimmschildern ausgerüstet ist wie Japan. Und um auch jedem – also auch jedem Nichtjapaner – verständlich zu machen, was erlaubt ist und was nicht, zeigen niedliche Figuren, was Sache ist.
Die Cartoon-Liste daneben wird angeführt von einem hüpfenden Mädchen, das einen Müllbeutel hochhält – also, den Abfall ordentlich entsorgen. Die ins Gras gepfefferte Dose, die zerknautscht und unglücklich ausschaut, unterstreicht diesen Appell. Ein weinender Baum und eine geknickte Tulpe bitten klar darum, den Pflanzen nichts zu tun. Sehr eindeutig, wenn auch in der Sache unverständlich, ist das große Bild vor dem Tokioter Hamarikyu-Park, das jeden Jogger zum Anhalten bewegt. Gezeichnet und in Worten motzt es unfreundlich "Joggen verboten".
Vor Baustellen warnen kulleräugige Bauarbeiter mit überdimensionalen Händen vor dem Betreten, aber auch Bahnen, Busse, Taxis sind vollgepflastert mit verhaltensfördernden Illustrationen. Bunt und im Manga-Stil wird darauf hingewiesen, den Fahrer nicht zu bedrohen oder zu stören, das Handy nicht zu benutzen, keine Selfies zu knipsen, nicht zu essen und in gar keinem Fall noch in letzter Sekunde aufzuspringen. In Nippons Banken wiederum warnen Bilderfolgen vor möglichen Betrugsformen. Man zeigt überall anschaulich, was gefährlich und was schicklich ist.
Besonders kurios wirken die Tafeln in öffentlichen Toiletten. In Japan unterscheidet man zwischen westlichen Wasserklosetts und traditionellen Stehtoiletten. Simple Zeichnungen veranschaulichen, wie man die beiden benutzt. Bei der Stehtoilette hockt eine Figur vorschriftsmäßig über dem Becken. Die unkorrekte Richtung ist per Verbotsschild gekennzeichnet. In den westlichen Klos werden ebenfalls Falschhandlungen markiert: Nicht draufsteigen auf die Toilettenbrille, sondern hinsetzen!
Der Tourismusboom, den Japan derzeit erlebt, beschert dem Schilder-Bilder-Reichtum etliche Erweiterungen. Die Klo-Hinweise, früher meist nur in Japanisch und maximal in Englisch, wurden sprachlich auf Chinesisch und Koreanisch ausgeweitet. Die schriftlichen Anweisungen erhielten aufgrund bestimmter Vorkommnisse zusätzliche Belehrungen. Hinzu kamen die zweckdienlichen Anleitungen, nach der Verrichtung zu spülen und kein Toilettenpapier zu klauen. Die neuesten Kreationen sind auch eine Art Notwehr. Da die meist chinesischen Besucher – vorsichtig ausgedrückt – andere Verhaltensmuster an den Tag legen als die auf Disziplin und Rücksicht gedrillten Japaner, versuchen die Gastgeber in ihrem Land der guten Manieren, einige besonders unschöne Auswüchse der Touristen einzudämmen.
Die Illustrationen verdeutlichen, was hier bisher nicht üblich war und auch nicht gelitten ist: herumlungern an den Zäunen der Teehäuser, Essen und Trinken in der Öffentlichkeit (ohnehin ein No-go in Japan), Abfall in die Gegend werfen und – das trifft auch die Japaner – Selfie-Sticks verwenden.
An erster Stelle aber das hervorstechendste Symbol: "Keine Frau im Kimono anfassen!" Immer mehr Maikos und Geishas hatten sich beschwert, dass ausländische Touristen sie an Ärmeln zupfen, den Haarschmuck berühren oder ihnen gar den Arm für ein Foto um die Schulter legen. Mithilfe der Holzschilder hoffen sie, die Besucher auf Distanz zu halten. Wahrscheinlich ein frommer Wunsch.
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