Bz-Interview

Freiburger Suchtexperte: So gelingt der Raucherstopp

Viele Raucher kommen nicht vom Glimmstängel los. Warum das Aufhören so schwierig ist und wie es dennoch möglich ist, erklärt ein Experte aus Freiburg im Interview  

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Das Beste, was man mit einer Zigarette anstellen kann: Ausmachen  | Foto: Sebastian Widmann
Das Beste, was man mit einer Zigarette anstellen kann: Ausmachen Foto: Sebastian Widmann

"Rauchen kann tödlich sein", werden wir von Litfaßsäulen und auf Zigarettenpackungen gewarnt. Zu Recht: An den Folgen der Nikotinsucht sterben allein in Deutschland jeden Tag 300 Menschen. Dennoch kommen viele vom Glimmstängel nicht los. Warum das Aufhören so schwierig ist und wie es dennoch möglich ist, ließ sich Anita Rüffer von dem Psychiater und Psychotherapeuten Andreas Jähne vom Präventionsteam des Tumorzentrums an der Freiburger Uniklinik erklären.

BZ: Herr Dr. Jähne, Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt ist seit Jahren das lebende Beispiel dafür, dass man selbst als Raucher manchmal alt werden kann. Sie versuchen Menschen, das Rauchen abzugewöhnen. Sind solche schlechten Vorbilder sehr kontraproduktiv für ihr Anliegen?
Jähne: Natürlich picken starke Raucher sich gerne einzelne Gegenbeispiele raus. Aber die Wissenschaft beschäftigt sich mit dem Risiko und da sind die Zusammenhänge zwischen Rauchen und Krebs eindeutig, auch wenn Einzelfälle das zu widerlegen scheinen. Ein starker Raucher hat ein zwanzigfach höheres Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken als ein Nichtraucher. Es gibt kein Organsystem, das nicht geschädigt wird. Die Krankheiten sind selbst mit der besten Medizin nicht mehr umkehrbar, die Patienten haben einen langen Leidensweg vor sich. Das Rauchen ist somit das wichtigste vermeidbare Gesundheitsrisiko in der westlichen Welt.

"Für die meisten bedeutet der Glimmstängel Entspannung, sich etwas Gutes tun."Andreas Jähne
BZ: Das müsste doch jeden Raucher überzeugen, damit aufzuhören. Oder junge Menschen davon abhalten, überhaupt damit anzufangen. Sie arbeiten ja auch vorbeugend mit Schulklassen. Lassen die sich von Statistiken und Horrorszenarien abschrecken?
Jähne: Es sind wir Mediziner, die die Folgen sehen und nicht erst kommen wollen, wenn die Schäden schon eingetreten sind. Ein Raucher hat gelernt, über die Risiken hinwegzusehen. Fast jeder kennt einen starken Raucher in seinem Umfeld, der an Lungenkrebs oder einem Herzinfarkt gestorben ist. Die meisten wissen Bescheid über die Zusammenhänge. Aber sie blenden dieses Wissen aus und stellen die kurzfristigen angenehmen Begleiterscheinungen über die langfristigen Konsequenzen. Die Psychologen nennen das kognitive Dissonanz. Das kann ein Kennzeichen einer Sucht sein.

BZ: Welche positiven Wirkungen hat das Rauchen denn?
Jähne: Für die meisten bedeutet der Glimmstängel Entspannung, sich etwas Gutes tun. Er gehört zum Kaffee nach dem Mittagessen, hilft Wartezeiten überbrücken, ist eine Belohnung nach einem langen Arbeitstag. Jugendliche fühlen sich cool, ziehen sich damit ein Lebensgefühl rein, das keinen Platz lässt für den Gedanken an Krankheit und Sterben. Die biochemischen Wirkungen des Nikotins im Gehirn äußern sich in weniger Angst, besserer Konzentration, weniger Appetit. Gäbe es all das nicht, würde niemand rauchen.

BZ: Wenn der mahnende Zeigefinger nichts nützt: Wie bringt man Menschen dazu, auf all das zu verzichten?
Jähne: Der Schlüssel ist nicht der Verzicht, sondern einen Weg zu finden, wie die positiven Effekte auf andere Weise erzielt werden können.

BZ: Nämlich?
Jähne: Wir analysieren zuerst, in welchen Situationen ein Mensch zur Zigarette greift und welche Funktion das Rauchen für ihn hat. Das ist ja von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Danach entwickeln wir mit ihm oder ihr einen maßgeschneiderten Plan und vereinbaren einen konkreten Stopptag. Wer die orale Befriedigung braucht, kaut vielleicht Kaugummi. Wer nach dem Aufstehen gleich die erste Zigarette auf dem Balkon raucht, lässt nicht nur die weg, sondern krempelt sein gesamtes Morgenritual um. Wer abends gestresst von der Arbeit kommt, versucht es mit autogenem Training statt Nikotin.


BZ: Und der körperliche Entzugsstress?
Jähne: Den müssen Ausstiegswillige nur drei bis vier Wochen überbrücken. Das unstillbare Verlangen, eventuelle Konzentrations- und Schlafstörungen, Heißhunger oder Reizbarkeit dauern nicht ewig und können mit nikotinhaltigen Medikamenten in unterschiedlichen Darreichungsformen oder auch mit Akupunktur reduziert werden. Am besten ist eine Kombination von Medikamenten und Verhaltensänderungen.

BZ: Viele probieren es immer wieder und schaffen es nicht. Empfehlen Sie trotzdem einen erneuten Versuch?
Jähne: Der Raucherstopp funktioniert mit einer guten Strategie, zu der eine gute Vor- und Nachbereitung gehören. Mit anderen zusammen in einem Raucherentwöhnungskurs klappt es am besten. Die Kurse haben alle einen vergleichbaren Ansatz. Mehr als 90 Prozent der Kursteilnehmer hören danach mit dem Rauchen auf, die langfristige Erfolgsquote verdoppelt sich. Die Spontanabstinenz – etwa der gute Vorsatz zum Jahreswechsel – klappt nur in fünf Prozent der Fälle.

BZ: Rauchverbote, Einschränkung der Zigarettenwerbung, höhere Tabaksteuer: Sind politische Steuerungsversuche, das Rauchen einzudämmen, erfolgreich?
Jähne: Früher hat das Rauchen zum guten Ton gehört. Seit 15 Jahren beobachten wir einen Imagewandel, zu dem die Politik sicher beigetragen hat. Das Rauchen verliert an Attraktivität und steht nicht mehr so im öffentlichen Blickpunkt. Immer weniger Kinder und Jugendliche fangen damit an.
Veranstaltungstipp

"Wie funktioniert der erfolgreiche Ausstieg?": unter dem Motto "Rauchen – Lust oder Last?" erklärt Andreas Jähne am Samstag, 1. März, um 11.15 Uhr wie man von der Zigarette los kommt.Ort der Veranstaltung ist der Hörsaal 1010 der Freiburger Universität, Kollegiengebäude I, Platz der Universität 3. Der Eintritt ist kostenlos. Der Vortrag ist die Auftaktveranstaltung zu der Vortragsreihe "Prävention für ein gesundes Leben" des Instituts für Prävention und Tumorepidemiologie der Uniklinik Freiburg. Weitere Teile der folgen in unregelmäßigen Abständen.

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