Griechenland

Geflüchteter aus dem Iran schafft es aus dem Lager an die Universität

Kouros Nourmohammadi Baigi kam mit dem Schlauchboot nach Griechenland, lebte im berüchtigten Lager Moria. Jetzt macht er sein Abitur mit Bestnoten – und wird vom Premierminister empfangen.  

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Kouros Nourmohammadi Baigi (r.) beim Treffen mit Griechenlands Premierminister Mitsotakis (l.). Foto: Gerd Höhler
Als Kouros Nourmohammadi Baigi am 15. August 2019 mit seinen Eltern und seinem Bruder in einem Schlauchboot die Küste der griechischen Ägäisinsel Lesbos erreicht, weiß er nicht, was ihn erwartet. Ein fremdes Land, eine Sprache, die er nicht versteht – "wir standen vor einer ungewissen Zukunft", erinnert sich Kouros.

Womit er ganz sicher nicht rechnete, war der Anruf, der ihn am vergangenen Mittwoch erreichte. Vom Nato-Gipfel in Madrid meldete sich der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis. Kouros glaubte zunächst an einen Scherz, aber der Premier versicherte ihm: "Ich bin es wirklich!" Mitsotakis wollte gratulieren: Als Zweitbester seiner Schule hat der junge Iraner die Panhellenischen Examina bestanden, die landesweiten Aufnahmeprüfungen, die in Griechenland über den Hochschulzugang entscheiden.

Sein Bild ist in allen griechischen Zeitungen

Vor einer Woche war Kouros ein Unbekannter, jetzt ist sein Bild in allen griechischen Zeitungen und den sozialen Netzwerken. Es ist eine erstaunliche Karriere. Die Familie war wegen politischer und religiöser Verfolgung aus dem Iran zunächst in die Türkei geflohen. Schleuser brachten sie in einem überfüllten Schlauchboot nach Lesbos. Dort kam die Familie zunächst ins Camp Moria, jenes berüchtigte Aufnahmelager, von dem die Bewohner damals als "Hölle" sprachen. Im September 2020 wurde das Lager, in dem seinerzeit fast 13.000 Menschen lebten, durch einen Großbrand völlig zerstört.

Die Bedingungen in Moria seien sehr schwierig gewesen, auch wenn seine Familie immerhin in einem Wohncontainer lebte, erinnert sich Kouros. Andere hausten in Zelten oder selbstgezimmerten Verschlägen. "Im Lager verlierst Du das Gefühl für die Zeit", sagt Kouros. "Immer wartest Du auf etwas, immer stehst Du an, für Essen oder irgendwelche Papiere."

Später kam die Familie ins Lager Kara Tepe, das für Familien konzipiert ist. Dort begannen Kouros und sein jüngerer Bruder den regelmäßigen Schulbesuch. Heute spricht der 19-Jährige fließend und fast akzentfrei Griechisch. "Alle haben mir wunderbar geholfen, meine Mitschülerinnen und Mitschüler ebenso wie die Lehrer", sagt er.

Seine große Leidenschaft sind die Zahlen

Im Januar bekam die Familie endlich Asyl in Griechenland. Die Eltern arbeiten als Dolmetscher für eine Nichtregierungsorganisation. Inzwischen hat die Familie eine Wohnung in der Inselhauptstadt Mytilini gemietet. "Wir haben jetzt endlich ein normales Leben", sagt Kouros. Der vergangene Dienstag, an dem er seine Examensnoten bekam, war für ihn "der zweitschönste Tag in meinem Leben nach dem Asylbescheid im Januar", sagt Kouros, "ich fühlte mich überglücklich." Jetzt habe er "nach langer Zeit endlich das Gefühl dazuzugehören".

Seine große Leidenschaft sind die Zahlen. Bestnoten bekam er im Examen nicht nur in Mathematik, sondern auch in Physik und Chemie. Auf sein Erfolgsrezept angesprochen, sagte Kouros: "Lernen, immer wieder lernen!" Panagiotis Koutskoudis, der Mathematiklehrer, lobte in einem Interview mit der Zeitung Kathimerini die Geduld und die Ausdauer des jungen Iraners.

Beeindruckt habe ihn aber auch, mit welchem Respekt Kouros seinen Mitschülern und Lehrern begegnet sei. Ab Herbst will Kouros an der Aristoteles-Universität in Thessaloniki Computerwissenschaften studieren. Der Rektor der angesehenen Hochschule, Nikos Papaioannou, kann den neuen Studenten kaum erwarten: "Kouros, wir freuen uns auf Dich", sagte er in einem Interview. Bevor Kouros zum Studium nach Thessaloniki geht, machte er am Montag eine Reise nach Athen: Premierminister Mitsotakis empfing den Musterschüler in seinem Amtssitz, der Villa Maximos.
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