Was die Stimme verrät

BZ-INTERVIEWmit dem Direktor des Instituts für Musikermedizin, Bernhard Richter, über ein vernachlässigtes Organ.
Wir sprechen täglich mit ihr, aber selten über sie. Sie vermag zu verführen und kann manipulieren. Sie verrät das Geschlecht – und viel über die Persönlichkeit. Trotzdem behandeln wir die Stimme stiefmütterlich, sagt der HNO-Arzt und Sänger Bernhard Richter im Gespräch mit Kathrin Blum.
Richter: Wenn Sie mich so fragen: viel zu wenig. Denn wir müssen sie ja ständig verwenden. Sprechen. Singen. Jeden Tag! Früher wurden viel häufiger Gedichte rezitiert und Lieder gesungen. Heute verläuft ein guter Teil der Kommunikation nonverbal. Gerade beim Austausch von Kurznachrichten per Smartphone geht so viel emotionaler Ausdruck verloren.
"Die Stimme verrät vieles,
ob wir wollen oder nicht."
BZ: Deshalb hat man Emojis erfunden . . .
Richter: Die brauchen Sie im direkten Gespräch nicht. Wenn Sie sagen: Ich komme später, dann kann man Ihrer Stimme anhören, ob Sie bedauern, später zu kommen, ob Sie sich freuen, später zu kommen oder ob Sie sich wünschten, überhaupt nicht zu kommen. Dafür braucht es keine Piktogramme oder Ähnliches.
BZ: Die Stimme ist also verräterisch.
Richter: Sie offenbart eine ganze Menge. Wir alle wollen ja Bilder von uns erzeugen, möchten jung, schön, erfolgreich sein. Doch die Stimme verrät vieles, ob wir wollen oder nicht: unser Geschlecht zum Beispiel, aber auch unser Alter, unsere Lebenserfahrung. Sie zeigt ...