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Artenschutz

Hoffnung für Bienen-Frieden: Ein Kompromiss ist in Sicht

Nico Pointner

Von Nico Pointner (dpa)

Mi, 16. Oktober 2019 um 21:47 Uhr

Südwest

Erst machen die Naturschützer der hiesigen Landesregierung mit ihrem Bienen-Volksbegehren Beine. Dann nimmt Grün-Schwarz ihnen mit eigenen Plänen den Wind aus den Segeln.

Freut sich, wenn es mehr Bienen gibt: das Rotkehlchen  | Foto: Micha Trillhaase - stock.adobe.com
Freut sich, wenn es mehr Bienen gibt: das Rotkehlchen Foto: Micha Trillhaase - stock.adobe.com
Zwar ist noch keine einzige Biene gerettet, aber erst mal fühlen sich alle als Gewinner auf dem Weg zu mehr Artenschutz im Südwesten. Der Trägerkreis des Pro-Biene-Volksbegehrens feiert die Einigung mit der grün-schwarzen Landesregierung als "ersten großen Erfolg". Nur durch sie schließlich habe sich die Regierung bewegt. Und in der Landesregierung ist die Rede von einem Meilenstein – gerade weil man sich bewegt hat, ein ganzes Stück sogar. Koalitionsspitzen und Bienenfreunde sind sich erst mal grün.

Angesichts heftiger politischer Grabenkämpfe der vergangenen Wochen um das Bienen-Volksbegehren ist das ein eher überraschendes Ergebnis. 770 000 Unterschriften wollten Bienenfreunde im Südwesten sammeln zur Stärkung des Artenschutzes. Nach nur drei Wochen schalten sie in den Kompromissmodus und wollen mit der Regierung an einem Alternativentwurf arbeiten. Das Unterschriftensammeln für das Volksbegehren soll auf Eis gelegt werden, falls sich alle Beteiligten zu den Eckpunkten der Regierung bekennen und diese bald in ein konkretes Gesetz münden.

Dabei wollten die Naturschützer in wesentlichen Bereichen ursprünglich viel mehr. Der Anteil der Flächen, auf denen Pestizide genutzt werden, sollte dem Volksbegehren zufolge im Südwesten bis 2025 halbiert werden. In Schutzgebieten sollten sie ganz verboten werden. Die ökologische Landwirtschaft sollte bis 2035 auf 50 Prozent ausgebaut werden. Diese Forderungen gehen sehr weit. Aber alle reden derzeit über die Umwelt, das Klima, den Artenschutz. Die Stuttgarter Initiatoren wollten den Schwung nutzen, der auch einem Artenschutz-Volksbegehren in Bayern zum Erfolg verhalf. Wer kann schon was gegen die Rettung von Bienen haben? Schnell hatte man die Unterschriften für die rechtliche Zulassung des Begehrens zusammen.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann und seine Landesregierung haben die politische Sprengkraft des Themas schlicht unterschätzt. Der Grünen-Politiker begründete das auch mit der fehlenden Erfahrung der Landesregierung mit solchen Volksbegehren. Gerade aber Kretschmann hatte sich in der Vergangenheit immer wieder für die direkte Demokratie stark gemacht, eine "Politik des Gehörtwerdens" propagiert. Das fällt ihm in gewisser Weise nun auf die Füße. Es sei schon bemerkenswert, dass Bürger einer grün geführten Landesregierung Beine machen müssen bei dem Thema, frotzelte SPD-Chef Andreas Stoch.

Aber auch die Bienenfreunde haben die Sprengkraft ihrer Forderungen unterschätzt. Vor allem wegen des geforderten Pestizidverbots für Schutzgebiete sahen viele Landwirte ihre Existenzen bedroht. Die Bauern gingen auf die Barrikaden, machten massiv mobil gegen das Begehren, stellten grüne Kreuze als Protestsymbole gegen das Höfesterben auf. Verschiedene Seiten beklagten eine gefährliche Polarisierung zwischen Landwirtschaft und Naturschutz. Die Wucht des Begehrens liegt auch an seiner Unveränderbarkeit. Die Forderungen können im Gesetzgebungsverfahren nicht mehr abgeändert werden.

Ein Regierungsentwurf ist da schon flexibler. Grün-Schwarz zurrte in nur wenigen Tagen ein Gegenpaket fest – und beweist damit auch Handlungsfähigkeit nach mehreren grün-schwarzen Krisen der Vergangenheit. Die elf Eckpunkte gehen zwar teils lange nicht so weit wie die Forderungen der Berufsimker des Stuttgarter Instituts Pro-Biene, die hinter dem Volksbegehren stehen.

Aber weit gehen sie trotzdem: Ein Pestizidverbot soll es demnach nur in Naturschutzgebieten geben, nicht mehr in sämtlichen Schutzgebieten. Der Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel soll den Eckpunkten zufolge bis 2030 um 40 bis 50 Prozent reduziert werden. Der Anteil der Öko-Landwirtschaft soll bis 2030 auf 30 bis 40 Prozent ausgebaut werden – allerdings unter Berücksichtigung der Nachfrageentwicklung. Das Eckpunktepapier entschärft die umstrittenen Passagen des Pro-Biene-Gesetzesentwurfes, ergänzt ihn aber um weitere Vorschläge, etwa zur Lichtverschmutzung oder Grünstreifen.

Nach einer relativ kurzen Sitzung mit Agrarminister Hauk und Umweltminister Untersteller erkennen die Bienenfreunde die Eckpunkte am Dienstagabend an. Es gibt nun sozusagen eine Art konstruktiven Waffenstillstand, um gemeinsam festzuzurren, wie umfassend – und auch schmerzhaft – der Artenschutz sein soll im Südwesten. Bis Mitte Dezember müssen die Eckpunkte in ein konkretes Gesetz gegossen sein, so die Forderung der Bienenfreunde. Der Trägerkreis will dabei mitmischen.

Die Eckpunkte lassen noch genug Luft, um Ziele abzuschwächen, sagen kritische Stimmen. Der Landesnaturschutzverband stellt etwa am Mittwoch die Frage, wie hohe Standards des Pflanzenschutzes verbindlich gemacht werden sollen und ob das Land die nötigen Mittel bereitstellt, um alle Punkte umzusetzen. BUND-Landeschefin Brigitte Dahlbender nannte die Eckpunkte "relativ schwach und schwammig", warnte vor einer Verwässerung.

Die Bauern zeigten sich am Mittwoch gesprächsbereit, wenn auch zurückhaltend. Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte, er erwarte eine "ergebnisoffene Diskussion". In den Zielen sei man sich einig, nun gehe es um die konkrete Ausgestaltung der Maßnahmen. Man werde die Vorschläge eingehend prüfen. Wenn sich aber nicht alle Beteiligten zu den Eckpunkten bekennen, heißt es wiederum aus dem Trägerkreis, dann werde man weiter Unterschriften sammeln. Wie lange man im Gleichklang summt, ist offen.

Ressort: Südwest

  • Zum Artikel aus der gedruckten BZ vom Do, 17. Oktober 2019:
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