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Hoffnung, wo es keine gab

Johannes Dieterich
  • Mi, 26. Juli 2017
    Panorama

In Südafrika ist nach Angaben von Ärzten erstmals ein Kind von HI-Viren befreit worden.

Anti-Aids-Kampagne in  Afrika   | Foto: dpa
Anti-Aids-Kampagne in Afrika Foto: dpa

JOHANNESBURG. Erstmals ist ein südafrikanisches Kind, das bei seiner Geburt mit dem HI-Virus infiziert worden war, nach einer frühen Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten praktisch "geheilt" worden. Jedenfalls sind neun Jahre nach der Behandlung des Mädchens in deren Körper keine lebenden HI-Viren mehr festzustellen.

Der äußerst seltene Behandlungserfolg wurde auf der heute zu Ende gehenden neunten Internationalen Aidskonferenz in Paris bekannt gegeben: Es handele sich um einen "sehr interessanten Fall", sagte Avy Violari, Kinderärztin an der Johannesburger Witwatersrand Universität, die das Mädchen betreut.

Das nicht namentlich genannte Kind war bereits bei der Geburt mit dem Virus infiziert und in eine medizinische Testreihe aufgenommen worden. Dabei erhielten mehrere Hundert infizierte Babys bereits wenige Wochen nach ihrer Geburt antiretrovirale Medikamente, was damals unüblich war. Eine Gruppe wurde 40 Wochen lang mit den sogenannten Aids-Cocktails behandelt, eine andere Gruppe 96 Wochen, eine dritte Kontrollgruppe erhielt keine Medikamente. Während alle medikamentös behandelten Kinder anschließend eine um 75 Prozent reduzierte Sterberate und eine stark reduzierte Virenzahl vorwiesen, waren bei dem Mädchen bald gar keine HI-Erreger mehr festzustellen. Neun Jahre später ist die junge Südafrikanerin noch immer virenfrei. Allerdings sollen sich in ihren Zellen noch immer Virenreste befinden. Theoretisch könnte das zu einer Neuinfektion führen. In ihrem Blut sind derzeit keine lebenden Erreger festzustellen, ihr Immunsystem ist intakt.

Weltweit wurde ein derartiger Erfolg bislang nur bei zwei weiteren Kindern und drei Erwachsenen festgestellt. Das 2010 geborene sogenannte Mississippi-Baby erhielt ebenfalls kurz nach der Geburt eineinhalb Jahre lang antiretrovirale Medikamente. Nach zwei Jahren kamen die Viren zurück. Ein französisches Kind wurde nach der Geburt sechs Jahre lang mit Aids-Cocktails behandelt: Die heute 20-Jährige ist nach wie vor virenfrei. Drei erwachsene Infizierte, deren Rückenmark ausgetauscht wurde, zeigten ebenfalls nach der Behandlung keine Viren mehr. Bei Zweien kamen die Viren wieder.

Wissenschaftler sind überzeugt davon, dass die "Heilung" des südafrikanischen Mädchens nicht allein den Medikamenten zuzuschreiben ist. Vermutlich verfüge ihre Patientin über andere physiologische Eigenschaften, die ihren Kampf gegen die Erreger begünstigten, sagte Kinderärztin Violari, welche, sei bislang nicht bekannt. Forscher wissen von Menschen, die nicht angesteckt werden, da sie keine Rezeptoren in ihren Immunzellen haben, an denen die Viren andocken können. Dabei handelt es sich allerdings um weniger als ein Prozent der Bevölkerung. Das südafrikanische Mädchen gehört nicht dazu.

Die Entdeckung ist insofern von Bedeutung, als Forscher derzeit versuchen, die Dauer der Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten möglichst kurz zu halten. Infizierte reagieren oft mit Nebenwirkungen und empfinden die tägliche Einnahme von Pillen als Last. Teilnehmer der Pariser Aidskonferenz lobten die Erfolge, die im Kampf gegen das Virus in jüngster Zeit vor allem in Afrika erzielt worden seien. "Wenn ich über eine Region der Welt wirklich stolz bin, dann ist es Afrika "", sagte Unaids-Direktor Michel Sidibé.

Ressort: Panorama

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