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"House of Gucci": Der tiefe Fall einer Familie

Eine Seifenoper in feinem Tuch und edlem Leder: Ridley Scotts Filmdrama "House of Gucci" inszeniert den Abstieg einer Familie und die tödliche Rache einer gedemütigten Frau.  

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Foto: Fabio Lovino (dpa)
Es umspielt stets ein leichtes Lächeln der Überlegenheit den Mund von Adam Driver. Dazu passen der feine Zwirn, in den er gewandet ist, die kostbare Armbanduhr und die Lässigkeit, mit der er die kaum gerauchte Zigarette in den weißen Ascher neben der weißen Espressotasse schnippst. Die Sonne wirft derweil ihr Licht auf die Fassaden im Zentrum der Modestadt Mailand. Der junge Mann mit der Ferrari-Brille ist ein Gucci. Und er wird ein Gucci bleiben, Maurizio Gucci, der Erbe eines Imperiums, auch wenn er zwischenzeitlich auf Abwegen wandelt, in einer Transportfirma den Wasserschlauch schwingt und seine Hemden selber bügelt.

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Diese vorübergehende Existenz verdankt er Patrizia Reggiani, in die er sich auf einer Party verliebt hat und die er in seinem Taumel Elizabeth Taylor nennt. Nun. Entfernt mag Lady Gaga, die in Manhattan in eine italoamerikanische Familie geboren wurde, etwas vom vulkanischen Wesen der großen Schauspielerin haben. Meistens tritt sie aber, mit Schmuck behängt und in Etuikleider gezwängt, als Drama Queen auf: Sie ist diejenige, die in Ridley Scotts fast dreistündigem Film "House of Gucci" die Rolle der ambitionierten Aufsteigerin übernommen hat, die sich für ihre Demütigung durch den Gemahl grausam rächen wird.

Der Tiefpunkt der romantisch mit einer Bootsfahrt im Gegenlicht begonnenen Liaison ist erreicht, als Maurizio seiner Frau zu Weihnachten einen Einkaufsgutschein für das New Yorker Warenhaus Bloomingdale’s schenkt. Eine Gucci würde dort nie einkaufen. Aber Patrizia ist eben keine Gucci und deshalb weder von erlesenem Geschmack noch von Bildung. Beim Antrittsbesuch bei Maurizios in eisiger Eleganz erstarrtem Vater Rodolfo verwechselt sie Klimt mit Picasso. Das war’s für den formvollendet auftretenden Grandseigneur, der, nicht zu Unrecht, mit der geld- und erfolgshungrigen jungen Frau Unheil über Gucci hereinbrechen sieht.

Das Ensemble überzeugt nicht immer

Altmeister Ridley Scott konnte beim Schauspielerarsenal für sein Drama um den Niedergang einer Familiendynastie aus den Vollen schöpfen. Allein mit dem in Verachtung über die aufkommendem Shoppingmalls versteinerten Jeremy Irons und dem alten Fuchs und Lebemann Al Pacino, der als Aldo Gucci im Gegensatz zu seinem Bruder den neuen Zeiten mit billigen Gucci-Kopien und Kunden aus Japan aufgeschlossen gegenübersteht, versammelt Scott zwei der größten Altmeister des zeitgenössischen Kinos um sich – und ihnen bei der Arbeit zuzusehen, bereitet höchstes Vergnügen.

Leider kann der Rest des Ensembles nicht recht standhalten. Adam Drivers Gucci-Lächeln scheint in sein Gesicht einmontiert zu sein – auch altert er nicht, obwohl im Film zwischen seiner Amour juvenil und dem Auftragsmord durch die brutal aus seinem Leben entsorgte Ehefrau mehr als 20 Jahre vergehen. Lady Gaga, die für eine klassische Schönheit zu klein geraten ist, sieht man das Bemühen um die Rolle der Intrigantin und Enttäuschten deutlich an. Am schlimmsten trifft es Jared Leto in der Rolle des unglücklichen Sohns von Aldo Gucci. Paolo empfindet sich als verkanntes Designergenie, ist in Wirklichkeit aber die – so sein zum Zynismus neigender Onkel – verkörperte Mittelmäßigkeit. Die Tragik der Figur verraten Leto und der Regisseur an die höchst lächerliche Karikatur eines mit Fistelstimme und fahrigen Gesten herumfuchtelnden Dummkopfs, der durch Maurizios Tricksereien gezwungen ist, seine Anteile an der Firma zu verkaufen – bevor seinem Cousin, der Fluch der bösen Tat, dasselbe Schicksal widerfährt.

Eine Seifenoper in edelstem Tuch und feinstem Leder

Für eine glasklare Analyse jener kapitalistischer Mechanismen, die im Verbund mit internem Zwist die Familie um ihre 1921 gegründete Luxusfirma brachten, ist Scotts Film viel zu oberflächlich. Die Kamera von Dariusz Wolski saugt sich fest an all den schönen Outfits, Accessoires, Möbeln und – wir schreiben die 80er, auch beim glamourösen Soundtrack zwischen den Eurythmics und David Bowie – Autos, mit denen sich Superreiche wie die Guccis nun mal gern umgeben. Es ist eine Seifenoper in edelstem Tuch und feinstem Leder, die hier präsentiert wird. Dazu passt, dass ihre Protagonisten eher als Typen denn als Charaktere gezeichnet sind. Man wird im Lauf der doch recht lang werdenden 159 Minuten nicht recht schlau daraus, welche Geschichte Scott – nach dem 2001 erschienenen Roman "The House of Gucci. A Sensational Story of Murder, Madness, Glamour and Greed" von Sara Gay Forden – eigentlich erzählen wollte: des Verfalls einer Familie(à la "Buddenbrooks"), der Gefahr traditionsreicher Unternehmen, ihre Zukunft zu verspielen – Gucci ist heute in Händen des französischen Konzerns Kering und erwirtschaftet Milliardengewinne – oder der Rachegelüste einer verstoßenen Frau. Dass der Film alles ein bisschen sein will, geht auf Kosten seiner Glaubwürdigkeit. Es gibt zeitliche und emotionale Sprünge, die man nicht recht nachvollziehen kann – der Umschwung in Maurizios Gefühlen, eine plötzliche Durchsuchung der Gucci-Villa, der sich der Hausherr durch die Flucht auf einem Motorrad in die Schweiz – bei Schneetreiben! – eben noch entziehen kann, die letzte Szene, die der ersten aufs Haar gleicht. Bevor die Mörder kommen. Ein Fest für die Augen ist "House of Gucci" natürlich allemal. Und wenn im Zelebrieren schöner Oberflächen das Wesen von Mode liegt, hat Scott es in seinem Film haargenau erfasst.

"House of Gucci" (Regie: Ridley Scott) läuft flächendeckend.
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