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Adrenalin

Illegale Autorennen werden zu einem Problem

Michael Saurer
  • & dpa

  • Mi, 22. Juli 2015
    Panorama

Es geht um Adrenalin, Stolz, Status – und es ist ein Spiel mit dem eigenen Leben und dem anderer. Illegale Autorennen werden immer beliebter. Mittlerweile hat sich eine riesige Szene rund um die Raser und ihre hochmotorisierten Fahrzeuge entwickelt – mit entsprechend dramatischen Folgen.

Im Rausch der Geschwindigkeit kommen immer wieder Unbeteiligte ums Leben.    | Foto: lassedesignen (fotolia.com)
Im Rausch der Geschwindigkeit kommen immer wieder Unbeteiligte ums Leben. Foto: lassedesignen (fotolia.com)

Erst am Sonntag starb eine Frau in Bremen, als sie mit ihrem Wagen den Teilnehmern eines Autorennens ausweichen musste. Und allein in Köln sind in diesem Jahr drei Menschen bei derartigen Spektakeln umgekommen.

Auf einen Schlag war in der vergangenen Woche alles wieder da für Kölns Ex-Oberbürgermeister Fritz Schramma. Als er und seine Frau davon erfuhren, dass ein illegales Autorennen mitten in der Stadt einem Radfahrer das Leben gekostet hatte, empfanden sie "Wut, Enttäuschung und Frust". Denn vor 14 Jahren kam ihr Sohn auf ähnliche Weise zu Tode. Er stand am Kölner Rudolfplatz, als zwei junge Männer sich ein Rennen lieferten, und einer dabei in eine Menschenmenge raste und Stephan Schramma erwischte.

Polizei und Verkehrsexperten sehen einen gefährlichen Trend in der Raserei. "Das ist eine organisierte Form", sagt der Frankfurter Verkehrssoziologe Alfred Fuhr, der die Szene der illegalen Straßenrennen gut kennt. "Man hat es nicht mit Asozialen zu tun, sondern mit Spezialisten, die eine Begeisterung haben für Autos und Motoren, aber auch für das Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei."

Köln hat da einen traurigen Ruf. Drei Unbeteiligte sind dort in den vergangenen Monaten durch illegale Autorennen umgekommen. Und nun der Vorfall vom Wochenende in Bremen. Zwei Raser lieferten sich in einer Wohngegend ein Rennen, fuhren parallel auf beiden Fahrspuren, ignorierten die Lichthupensignale einer 52-Jährigen, die ihnen mit ihrem Auto entgegenkam. Die Frau sah keinen anderen Ausweg, als auszuweichen. Sie prallte gegen einen Baum, dann gegen eine Laterne und starb noch am Unfallort.

Auch wenn sich die tragischen Vorkommnisse in diesem Jahr auf den Norden der Republik konzentrieren, bereiten illegale Autorennen den Ermittlern auch in Südbaden Kopfzerbrechen. Ein Zentrum der Raserszene ist die Stadt Singen. Besonders freitagabends treffen sich dort meist junge Fahrer PS-starker Wagen im Gewerbegebiet – und verabreden sich nicht selten zu Wettrennen auf der angrenzenden A81 Richtung Stuttgart.

Besonders perfide sind die sogenannten Beschleunigungsrennen: Die Teilnehmer bremsen den nachfolgenden Verkehr bis auf 20 Stundenkilometer herunter, um dann über Kilometer hinweg freie Bahn zu haben. Erst am Wochenende kam es auf der A98 zwischen Kreuz Hegau und Stockach fast zu einem Unfall, als sechs Fahrzeuge unvermittelt auf 30 Kilometer pro Stunde abbremsten und ein dahinter fahrender Autofahrer eine Vollbremsung machen musste.

Die Polizei versucht, dem Phänomen Herr zu werden. "Das hat Ausmaße angenommen, die wir nicht akzeptieren können", sagt Andreas Herzog vom Verkehrskommissariat Mühlhausen-Ehingen. Es habe Fälle gegeben, bei denen 70 Fahrzeuge in Gruppen von fünf bis zehn Autos in ein Rennen verwickelt waren. In den vergangenen Monaten sei die Szene immer größer geworden, teilweise habe es über 300 Fans am Straßenrand gegeben, die den Boliden zugeschaut hätten.

Ein regelrechtes Happening seien die abendlichen Treffen auf dem Parkplatz, gut organisiert über die sozialen Netzwerke, wo Videos und Fotos eine riesige Fangemeinde haben. 5200 Mal wurde eine einschlägige Facebook-Seite der Rasergemeinde geliked. Und es sind beileibe keine Halbstarken mit aufgemotzten Kleinwagen, die freitagabends in Singen auffahren. "Wir haben hier sehr viele Oberklassewagen", sagt Verkehrspolizist Herzog. Audi, BMW, Ferrari, Lamborghini – es seien oft gut betuchte Männer bis zu einem Alter von 30 Jahren, die an dem Unfug teilnehmen.

Um der Szene Einhalt zu gebieten, griff die Polizei in Singen gemeinsam mit der Stadt zu einem ungewöhnlichen Mittel: Sie sperrt nun seit zwei Wochen ab Freitagabend einen wichtigen Kreisverkehr am Eingang des Industriegebiets. Die Fahrer müssen so in kleine Nebenstraßen ausweichen, wo das mit dem Rasen nicht so richtig funktioniert. Seitdem ist Ruhe. Doch ob die Fahrer auf andere Treffplätze ausweichen, müsse man abwarten, so Herzog. Denn die A81 ist verführerisch. Sie ist nachts wenig befahren und hat kaum Tempolimits. Anders als die A5 zwischen Basel und Karlsruhe. Dort, betont Polizeisprecherin Laura Riske, sei das Phänomen kaum bekannt. Der Verkehr sei so dicht, dass Raser kaum auf ihre Kosten kommen würden.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mi, 22. Juli 2015: PDF-Version herunterladen

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