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In Freiburg lernen immer weniger Kinder schwimmen

  • & Von Daniela Frahm

  • Mi, 27. Januar 2016
    Freiburg

     

Ganz im bundesweiten Trend lernen auch in Freiburg immer weniger Kinder schwimmen – Experten sehen’s mit Sorge und entwickeln Projekte.

Tunlichst sollten alle schwimmfest sein, die im Schwimmbad toben. Foto: Thomas Kunz
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Auch in Freiburg können immer mehr Grundschüler nicht schwimmen, wenn sie in eine weiterführende Schule wechseln. Genaue und aktuelle Zahlen gibt es zwar nicht, Lehrer, Schwimmschulen und die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) können diesen Trend aber bestätigen. Nach einer statistischen Erhebung aus dem Jahr 2009 konnten mehr als 30 Prozent der Viertklässler in Baden-Württemberg nicht schwimmen. Die Gründe dafür sind vielfältig: das Bädersterben, ausfallender Schwimmunterricht in den Schulen, und Eltern, die keine Zeit oder nicht das Geld haben, mit ihren Kindern schwimmen zu gehen. Gefragt sind deshalb neue Konzepte wie das "Schwimmfix"-Projekt aus Heidelberg.

Obwohl auch in Freiburg ein paar kleinere Bäder geschlossen wurden, scheint die Kapazität immer noch auszureichen. Dem geschäftsführender Schulleiter für die Grund- und Hauptschulen und Rektor der Anne-Frank-Schule, Edgar Bohn, sind keine Beschwerden aus Grundschulen bekannt: "Schulen, die sich darum bemühen, bekommen auch Zeiten." Bohns Schule belegt drei Mal in der Woche das Lehener Bad. Der frühere DLRG-Retter Bohn hat jedoch auch beobachtet, dass immer mehr Kinder in seine Schule kommen, die nicht richtig schwimmen können und gewaltige Wasserängste haben: "Mir kommt vor, dass viele Eltern sich nicht mehr so darum kümmern und denken, das soll die Schule richten."

Das können die Schulen aber immer weniger leisten. Denn für Schwimmunterricht gilt der normale Klassenteiler, so dass Lehrer für bis zu 30 Schüler zuständig sind. "Und die müssen dann erst mal darauf achten, dass niemand untergeht", sagt Daniel Maier, Leiter der überregional tätigen Schwimmschule Weiß. Er berichtet, dass vermehrt Neun- bis Elfjährige in die Kurse kommen, die noch nicht schwimmen können. Ein bis zwei Monate Wartezeit gibt es derzeit in Freiburg für die Kurse im Lehener Bad, die an sechs Sonntagen stattfinden, jeweils mit maximal fünf Kindern. Solche Kleingruppen befürwortet auch Ute Nostadt, die zweite Vorsitzende der DLRG Ortsgruppe Freiburg, die Trainingszeiten im Haslacher Bad hat. Hier müssen Interessenten manchmal bis zu einem Jahr warten.

"Wir geraten an unsere Kapazitätsgrenzen, weil wir ehrenamtlich arbeiten und für eine Ausweitung Übungsleiter finden müssten", erklärt Nostadt. Nach einer bundesweiten Studie können sich etwa die Hälfte der Kinder nicht sicher im Wasser bewegen. Nostadts Definition dafür sind 200 Meter schwimmen. Sie hält es für trügerisch, dass Eltern denken, ihre Kinder wären sicher, wenn sie das Seepferdchen-Abzeichen haben, bei dem nur 100 Meter gefordert sind: "Wenn die Eltern mit ihren Kindern an einen See oder ans Meer gehen, kann das fatale Folgen haben." Auch bei der DLRG-Rettungswache am Opfinger See seien die Fast-Ertrinkungsfälle angestiegen.

"Den Umgang mit dem

Wasser muss man

spielerisch erlernen."

Schwimmlehrer Daniel Maier
In Freiburg sei das Bädersterben kein Argument, weil die Stadt gegenüber dem Umland in einer "Luxussituation" sei, so Nostadt, "aber wenn Unterricht ausfällt, ist es oft Sport und speziell Schwimmen." Die Stadt stellt die Bäder fürs Schulschwimmen zur Verfügung, das Amt für Schule und Bildung (ASB) koordiniert das und zahlt den Eintritt. Im vergangenen Jahr waren das rund 270 000 Euro. "Bislang hat keine Schule Mehrbedarf angemeldet", sagt Eva Amann, Pressesprecherin der Stadt. Im Bereich des Freiburger Regierungspräsidiums (RP) sieht das anders aus. Im Umland kommt es vor, dass Kinder gar keinen Schwimmunterricht haben, weil es nicht genügend Bäder gibt oder der Transport zu den Bädern schwer zu organisieren und zu teuer ist.

Beim RP hat man einen steigenden Anteil an Nichtschwimmern ausgemacht, die an weiterführende Schulen wechseln. Nach einer umfassenden Bestandsaufnahme im Jahr 2012 an allen Beruflichen Schulen des RP Freiburg haben nur knapp über 50 Prozent die Möglichkeit, im Freibad schwimmen zu unterrichten, 42 Prozent können ein Hallenbad dafür nutzen. Über die Hälfte aller Schulen habe die Kapazitäten als nicht ausreichend beurteilt. Allerdings wäre es ohnehin wünschenswert, dass die Jugendlichen schon früher schwimmen können. "Den Umgang mit dem Wasser muss man spielerisch erlernen, und das geht als Kind am einfachsten", sagt Schwimmlehrer Maier.

Er begrüßt deshalb wie Ute Nostadt Konzepte wie das "Schwimmfix"-Projekt, das in Heidelberg entwickelt und inzwischen auf Mannheim und Karlsruhe ausgeweitet wurde. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) und Kultusminister Andreas Stoch (SPD) wollen es möglichst in ganz Baden-Württemberg anbieten, haben dafür aber keine konkreten Ziele festgelegt. Entwickelt wurde das Projekt vor zehn Jahren am Sportinstitut der Uni Heidelberg, mitfinanziert von Manfred Lautenschläger, Mitgründer des Finanz-Dienstleisters MLP. Unterstützt von Sportstudenten werden in Intensivkursen nur Nichtschwimmer unterrichtet, in Gruppen von höchstens sechs Kindern. Sie werden ein Mal in der Woche nach der Schule abgeholt und ins Bad gefahren. "Nach acht Wochen können sie schwimmen", sagt Initiator Lautenschläger, der mit Dankesschreiben überhäuft wird. In Heidelberg gibt’s seit "Schwimmfix" deutlich weniger Nichtschwimmer.

Ein ähnliches Modell könnten sich auch verschiedene Freiburger Gemeinderatsfraktionen, darunter die Grünen und die SPD, für ihre Stadt vorstellen und haben das Oberbürgermeister Dieter Salomon vorgeschlagen. Im Antwortschreiben aus dem Bürgermeisteramt heißt es, dass der Bedarf komplett gedeckt werde und die inhaltliche Gestaltung des Schwimmunterrichts Sache des Landes sei. Außerdem wird darin auf das Förderprogramm des Badischen Sportbunds "Kooperation Schule und Verein" verwiesen. In Freiburg gibt es fürs Schwimmen allerdings nur eine solche Zusammenarbeit zwischen dem PTSV Jahn und der Reinhold-Schneider-Schule.

An der Anne-Frank-Schule kommen Eltern und weitere Begleitkräfte mit zum Schwimmunterricht. Außerdem ist laut Bohn ein erfolgreiches Konzept mit Schwimmhilfen entwickelt worden. "Die wenigsten können danach nicht schwimmen", sagt der Rektor. Trotzdem sieht auch er vor allem die Eltern in der Pflicht, wenn ihre Kinder sich noch nicht sicher im Wasser bewegen.

Ressort: Freiburg

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