Interview
Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor: "Es ist den Terroristen des IS egal, wer hier stirbt"
BZ-INTERVIEW mit der Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor über Muslime in Deutschland und den Kampf gegen den IS.
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BERLIN. Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor warnt nach den Anschlägen von Paris vor einer Klimaverschärfung zwischen Muslimen und Nichtmuslimen in Deutschland. Sie wünsche sich, dass diesmal der Reflex vermieden werden könne, von Muslimen eine Distanzierung zu erwarten, sagte sie mit BZ-Korrespondentin Katja Bauer.
Kaddor: Grauenvoll. Ich war wie betäubt, als ich die Bilder sah. Aber da ist auch eine riesige Wut auf die Islamisten. Und eine große Fassungslosigkeit.
BZ: Können Sie nachvollziehen, dass Nichtmuslime sich von Muslimen eine Distanzierung von den Gräueltaten der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) wünschen?
Kaddor: Ich würde mir wünschen, dass wir die Reflexe der Diskussion diesmal vermeiden können. Die Situation ist doch ohnehin schon unerträglich genug. Es ist absurd, Muslime hier aufzufordern, sich zu distanzieren. Ich distanziere mich nicht, denn ich habe keinerlei Nähe zum IS. Es geht für uns Muslime darum, sich für freiheitliche Werte aber auch für eine zeitgemäße und humanistische Auslegung unseres Glaubens zu positionieren. Und da sind wir Muslime sicher stärker gefragt, weil der IS sich auf den Islam bezieht.
BZ: Wie kann man angesichts dieser selbsternannten Glaubenskrieger sagen, die Taten hätten nichts mit dem Islam zu tun?
Kaddor: Vielleicht hilft dagegen die Erkenntnis, dass die Muslime hier im Westen auch nicht sicherer sind als die Nichtmuslime. Es ist den Terroristen des IS doch egal, wer hier stirbt, für sie sind wir alle Ungläubige oder bestenfalls Heuchler. Hier geht es um Terror, und der richtet sich sehr generell gegen die Freiheit und damit gegen uns alle hier.
BZ: Was kann man jetzt dagegen tun, dass sich das gesellschaftliche Klima im Land nicht verschärft?
Kaddor: Wir müssen begreiflich machen, dass der Terror des IS nicht mit den flüchtenden Muslimen unter einer Decke steckt. Im Gegenteil, diese Menschen flüchten doch auch vor dem IS. Und wir dürfen Hetzern, die die Anschläge nun für Fremdenhass ausnutzen, keinen Raum bieten. Und ich glaube, wir müssen dringend alles tun, damit der IS nicht noch stärker wird.
BZ: Was meinen Sie?
Kaddor: Ich denke, wir müssen in Syrien einmarschieren – militärisch intervenieren. Das hätte der Westen schon seit 2011 tun müssen, und damals war der IS noch nicht einmal stark. Inzwischen hat sich das völlig geändert.
BZ: Glauben Sie nicht, das führt nur zu noch mehr Terror?
Kaddor: Es ist doch jetzt schon erschreckend, wie machtlos wir sind. Wie kann es sein, dass die Sicherheitsbehörden von solch konzertierten und simultanen Aktionen nichts wussten? Das muss doch über einen längeren Zeitraum geplant worden sein. Wir können nicht einknicken. Wir werden so oder so über eine Zeit mit dem Terror leben müssen. Je länger der Westen den IS duldet, desto stärker wird er. Es gibt keine Alternative.
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