Von Mails an die Kette gelegt

JUZ-GLOSSE: Unbedingt weiterleiten

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Früher, als man zum Schriftverkehr noch Stift und Papier gebraucht hat, hab ich immer ganz viele Kettenbriefe bekommen. Meist von irgendwelchen Mädchen aus meiner Grundschulklasse. Worum es ging, weiß ich nicht mehr so genau; die Briefe waren meist von einem Franziskanerpater aus Uruguay (alternativ: Neuseeland) gestartet worden und kämen ins Guinness-Buch der Rekorde, wenn ich es nicht verderben würde. Dann standen noch grausige Geschichten von Postboten oder Hausfrauen drin, die gestorben waren, weil sie den Kettenbrief nicht weitergeleitet hatten. So schrieb ich denn die Briefe mühsam zehnmal ab, um sie am nächsten Tag an meine Klassenkameraden zu verteilen. (Manchmal waren es auch Mädchen-Kettenbriefe, die Jungs nicht lesen durften. Ich weiß bis heute nicht, was drin stand.)

Heute geht das etwas einfacher. Man bekommt die Briefe per E-Mail und muss sie einfach nur an alle Adressen im Adressbuch weiterleiten. Klick und weg. Es geht um arme Jungs aus Brasilien, denen AOL pro weitergeleitete Mail ein paar Cent für 'ne OP bezahlt. Oder um die UN, die mal wieder Unterschriften gegen irgendeinen Krieg sammelt. (Meistens wissen weder AOL noch die UN davon, aber das wissen wiederum die E-Mail-Schicker nicht.) Solche Kettenmails fangen meist mit einem Satz an wie "Eigentlich hasse ich ja Kettenmails, aber diese hier scheint echt mal seriös zu sein". Mehrere solcher seriösen Mails bekomme ich tagtäglich; offenbar ist meine E-Mail-Adresse beliebter Gast in Hunderten von Adressbüchern. Oder die netten Ketten werden einfach im selben Zirkel umhergeschickt, wie damals in der Grundschulklasse. Jedenfalls bekomme ich immer ein bisschen ein schlechtes Gewissen, wenn ich die Mails einfach lösche - klick und weg - anstatt den armen brasilianischen Jungs zu helfen. Dabei wäre es doch so einfach gewesen, etwas Gutes zu tun, mit nur einem Klick . . . In solchen Momenten merke ich, wie schmerzhaft die Ablösung von meinen Grundschulgewohnheiten ist.

Mit anderen lustigen Kettenmails - die kommen dann meist aus Amerika - kann man seinen Freunden mitteilen, wie einzigartig sie doch sind und dass man gerade in jenem Augenblick an sie denkt. Darüber freue ich mich immer am meisten, besonders über die unglaublichen Gaben jener Freunde, die nur einmal zu klicken brauchen, um an ihr ganzes Adressbuch zu denken. Die neueste Kettenmail, die ich bekommen habe, war eine reine Jungs-Mail, also verboten für Mädchen. Wie spannend! Wenn ich sie nicht weiterschicken würde, würden meine Geschlechtsteile binnen einer Woche verfaulen. Plötzlich wurde ich an all die toten Postboten erinnert und mir wurde ganz schummrig. Schon wollte ich jenen verführerischen Klick tätigen ("Alle auswählen, senden"), um zumindest die Möglichkeit auszuschließen, dass . . . Ich habe widerstanden. Es ist noch alles dran.

Dominic Fritz

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