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Zischup-Interview

"Keine Angst, nach Afghanistan zu reisen"

  • Sophia Nazar, Klasse 8a, Kreisgymnasium (Bad Krozingen)

  • Fr, 28. April 2023
    Schülertexte

     

Pascale Goldenberg ist Mitglied der Deutsch-Afghanischen Initiative, einer Hilfsorganisation in Freiburg, die sich vor allem für Frauen in Afghanistan einsetzt. Dazu reist Goldenberg regelmäßig selbst in das Land.

Pascale Goldenberg  | Foto: Privat
Pascale Goldenberg Foto: Privat
Zischup: Wie kamen Sie zur Deutsch-Afghanischen Initiative?
Goldenberg: 2001 war in den USA ja das Attentat auf die Twin-Towers und im Zuge davon haben sich mehrere afghanische Familien in Freiburg zusammengetan und sehr viel Pressearbeit gemacht und Geld gesammelt. Mit diesem Geld wurden von Freiburg aus Laster mit Lebensmitteln nach Mashad im Iran, ganz nah an der afghanischen Grenze geschickt und von dort aus nach Afghanistan gebracht. Unter diesen Leuten aus Freiburg war auch ein polnischer Arbeitskollege meines Mannes und der hat einen Vortrag gehalten, der mich sehr durcheinander gebracht hat. Er hat viele Bilder gezeigt, auf denen Menschen in Afghanistan mitten im Winter nur in Lumpen zu sehen waren. Und dann habe ich die Idee gehabt, Nähbeutel für Afghanistan zusammenzustellen. Ich habe sowohl in Deutschland als auch in Frankreich viele Aufrufe gemacht und auch ganz viel Nähmaterial gekauft und so 2000 Nähbeutel zusammengestellt. Die wurden dann mit dem nächsten Laster nach Afghanistan geschickt. Diese Transporte wurden aber aus verschiedenen Gründen eingestellt und ich hatte eine andere Idee für ein Stick-Programm. Inzwischen war die Deutsch-Afghanische Initiative (DAI) geboren, ich selbst war noch gar kein Mitglied. Mit meiner Idee bin ich dann zum Vorstand der DAI und habe sie vorgetragen. Und mit dieser Idee haben sie mir eine Chance gegeben, da es ein Frauenprogramm ist und die DAI-Projekte zur Selbsthilfe anbieten wollte. Insofern hat mein Projekt gut in ihr Konzept gepasst.

Zischup: Was genau ist das Stick-Projekt?
Goldenberg: Das ist ein Projekt für Frauen in zwei Dörfern Afghanistans. Die Frauen sticken, wann immer sie Zeit haben und der Haushalt es zulässt, und diese Stickereien werden dann verkauft. So können die Frauen Geld verdienen. Das ist sehr wichtig, da Afghanistan in einer großen wirtschaftlichen Krise ist. Als ich im Februar dort war, hat mir jede der Frauen, die ich gefragt habe, erzählt, dass sie die einzige ist, die Geld verdient. Söhne und Ehemänner sind alle arbeitslos.

Zischup: Wie ist das Projekt entstanden?
Goldenberg: Das Handsticken gehört eigentlich zur afghanischen Tradition, ist aber durch die Kriege in Afghanistan verloren gegangen. 2004 habe ich die Frauen motiviert, dass Sticken wieder aufzunehmen.

Zischup: Für das Stickprojekt sind Sie ja auch schon nach Afghanistan gereist, was haben Sie dort gemacht?
Goldenberg: Damit das Stickprogramm zufriedenstellend funktionieren kann und sich positiv entwickelt, ist es sehr wichtig, die Frauen regelmäßig zu treffen, um darüber abzustimmen, wie es weitergeht und andere Dinge zu klären. Die Stickerinnen haben auch immer wieder neue Ideen, die wir klären müssen.

Zischup: 2021 haben die Taliban in Afghanistan ja wieder die Macht übernommen. Welche Eindrücke haben Sie von Ihrer letzten Reise?
Goldenberg: Erst einmal muss man sagen, dass in der Stadt in Kabul ein anderer Lebensstil herrscht als in den Provinzen und anderen Städten. Ich persönlich habe wenige Veränderungen in Kabul selbst gespürt. Man sieht zwar weniger Frauen auf der Straße und es sind viele Parks und Einrichtungen, in denen sich Frauen aufgehalten haben, geschlossen, die Frauen liefen, als ich da war, aber oft ohne Männer und nur mit Kopftuch herum, wie es das Gesetz eigentlich verbietet. Aber auf dem Weg zu den Dörfern wurden wir immer wieder von den Taliban angehalten.

Zischup: Wegen den Taliban ist es jetzt als Frau wahrscheinlich gefährlicher als davor. Haben Sie Angst, nach Afghanistan zu reisen?
Goldenberg:
Nein, ich habe keine Angst, nach Afghanistan zu reisen. Ich denke, wenn man Angst hat, dann sollte man das nicht tun. Es gab in Afghanistan vor der Machtübernahme der Taliban mehr Kriminalität. Das hat durch die Taliban tatsächlich abgenommen.

Zischup: Wie kann man Ihr Stick-Projekt unterstützen?
Goldenberg:
Am besten ist es natürlich, die Stickereien zu kaufen, da die Stickerinnen davon leben. Auch Spenden helfen sehr.

Mehr Informationen über das Stick-Projekt und die DAI sowie Bilder der Stickereien der afghanischen Frauen findet man auf unserer Website: http://www.deutsch-afghanische-initiative.de

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 28. April 2023: PDF-Version herunterladen

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