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"Keine Freude am Smalltalk"

  • Fr, 18. Dezember 2020
    Schülertexte

ZISCHUP-INTERVIEW mit dem Schüler Leopold Bartmann über das Normalsein, das Anderssein und seine ganz persönlichen Eigenheiten.

Leopold mit Hut  | Foto: Leopold Bartmann
Leopold mit Hut Foto: Leopold Bartmann
Das Asperger-Syndrom ist eine Form des Autismus. Menschen, die unter diesem Syndrom leiden, haben oft Schwierigkeiten im sozialen Bereich. Autismus ist keine Krankheit und lässt sich daher auch nicht heilen. Menschen mit Asperger-Syndrom fällt es zum Beispiel oft schwerer, Smalltalk zu führen und soziale Kontakte zu knüpfen – aber solche Informationen spiegeln nur wenig von einer Persönlichkeit wieder. Besser ist es, eine Person mit Asperger zu Wort kommen zu lassen. In diesem Interview erzählt Leopold Bartmann im Gespräch mit Sonia Roller, Schülerin der Klasse 9c des Erasmus-Gymnasiums in Denzlingen, über seine Erfahrungen und Meinung zu diesem Thema.

Zischup: Leopold, als Asperger-Autisten stellen sich viele Menschen Personen wie Sheldon Cooper aus "The Big Bang Theory" vor. Wie sehr lässt sich das auf das reale Leben übertragen?
Leopold: Jeder Mensch ist individuell – und das gilt auch für Asperger-Autisten. Keiner ist gleich. Das klischeehafte Bild eines Aspies ist: schwächlich, aber extrem schlau und oft trägt er, besonders im Fernsehen eine große Brille. Sicher gibt es bestimmt einen Asperger-Autisten mit einer großen Brille, aber das lässt sich überhaupt nicht auf alle übertragen. Ich bin ein Aspie "mit ohne" Brille, aber ich trage für mein Leben gern einen Pfadfinder-Hut.

Zischup: Manche Autisten verfügen über eine Begabung oder ein Spezialinteresse. Was interessiert dich denn besonders?
Leopold: Ich besitze mehrere Interessen. Ich gehe sehr gerne in den Wald und übe Überlebenstechniken. Gleichzeitig kenne ich mich mit der Technik und dem Gebrauch von Waffen aus, also gehe ich in den Schützenverein.

Zischup: Kann man das Asperger-Autismus-Syndorm leicht an einem Menschen erkennen? Oder übersehen das die meisten?
Leopold: Mal mehr, mal weniger. Manchen Menschen sieht man die Andersartigkeit sofort an. Bei anderen Personen ist sie gut versteckt, weil sie sehr anpassungsfähig sind, und wieder andere wissen selbst nichts von ihrem Asperger-Syndrom. Das ist wieder von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Es gibt keine Norm.

Zischup: Wie reagieren denn die Menschen um dich herum auf dich und dein Asperger-Syndrom?
Leopold: Auch das ist ganz unterschiedlich. Es gibt die, die mich auch nachdem sie es erfahren haben so behandeln, wie sie es mit jeden Menschen machen. Solange es eine freundliche Art des Behandelns ist, finde ich das völlig in Ordnung. Aber dann sind da auch Menschen, die mit mir dann so umgehen, als bräuchte ich immer und überall ihre Hilfe und das stört mich zuweilen. Ich und andere Autisten sind nicht hilflos.

Zischup: Gibt es auch bei dir Dinge, die dir im Alltag schwerfallen?
Leopold: Ja, meine Konzentration nimmt im Laufe des Tages immer weiter ab. Bei Dingen, die mich wenig oder gar nicht interessieren, wie zum Beispiel Mathematik, tue ich mir oft besonders schwer.

Zischup: Vielen Autisten und damit auch den Asperger-Autisten wird nachgesagt, dass sie keine sozialen Kontakte knüpfen können. Inwiefern stimmt das?
Leopold: Meistens stimmt das sogar, man weiß am Anfang einfach nicht, wie man einer Person entgegenkommen soll, aber mit etwas Übung gelingt es, zumindest bei mir.

Zischup: Smalltalk soll Menschen mit Asperger-Syndrom ebenfalls schwerfallen. Wie ist das bei dir auch so? Oder fällt dir Smalltalk leicht?
Leopold: Für viele ist Smalltalk eine Art von Zeitvertreib. Für mich ist es ein Mittel zum Zweck, um Näheres über Menschen herauszufinden. Aber ich habe eher keine Freude an einem Smalltalk und empfinde diesen eher als ermüdend. Das ist bei einem Interview übrigens nicht der Fall.

Zischup: Stört dich denn dein Asperger-Autismus und würdest du ihn, wenn es möglich wäre, heilen lassen?
Leopold: Nein, keines von beiden. Ich möchte auf gar keinen Fall etwas an mir ändern. Ich finde mich gut so. Und ich fühle mich auch nicht behindert oder ähnliches, ich fühle mich nur anders.

Zischup: Wie ist es zusammenfassend eigentlich, Autist zu sein?
Leopold: Das kann ich nicht beantworten. Ich kenne es nur so, wie ich eben bin.
Ich kann mich nur fragen: Wie ist es denn, normal zu sein?

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 18. Dezember 2020: PDF-Version herunterladen

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