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"Die Maus öffnet Türen"

Kinder und Eltern besuchen Bestattungsinstitut

Julia Littmann
  • Di, 04. Oktober 2016
    Freiburg

Zu den 646 Angeboten beim bundesweiten "Türöffnertag" der Sendung-mit-der-Maus gehören auch Bergäcker-Friedhof, Steinmetzwerkstatt und die Friedhofsgärtnereien. Und gleich nebendran das Bestattungshaus Horizonte.

Die Mitmachkinder als „Trauergemeinde“ am Puppensarg   | Foto: Rita Eggstein
Die Mitmachkinder als „Trauergemeinde“ am Puppensarg Foto: Rita Eggstein

"Sterben ist traurig", sagt Lina Strubel, 8, "aber wenn dann jemand tot ist und man kann selber bestimmen, was man schön und wichtig findet, so wie hier, dann ist es gut." Hier, das ist am Montag das Bestattungsinstitut "Horizonte" in Littenweiler. 35 Kinder und deren Eltern und Großeltern sind quasi auf Einladung der Maus hergekommen: Zu den 646 Angeboten beim bundesweiten "Türöffnertag" der Sendung-mit-der-Maus gehören auch Bergäcker-Friedhof, Steinmetzwerkstatt und die Friedhofsgärtnereien. Und gleich nebendran das Bestattungshaus Horizonte.

Patricia Rinklin ist eine der Bestatterinnen. Sie ist jung, heiter und freundlich. Sie begrüßt ihre Besucherschar selbstverständlich und innig und nimmt alle mit auf diese Erkundungstour wie eine Trauergemeinde auf Zeit. Damit Kinder und Erwachsene das Geschehen im Bestattungshaus kennen und verstehen lernen, hat ihr die eigene kleine Tochter Marlene ihre Lieblingspuppe Mia Marie als Hauptdarstellerin geliehen. Die kommt in ein Leintuch gehüllt und auf eine Trage geschnallt im Bestattungsauto an. Alle wandern ums Haus, drei Kinder packen vorsichtig mit an, als Patricia Rinklin die Bahre auf einen Rollwagen im Hof hebt.

Von hier wird Mia Marie in den kühlen Versorgungsraum geschoben – und als erstes herzlich begrüßt: "Hallo Mia Marie, du bist jetzt bei uns im Bestattungsinstitut Horizonte im Dreisamtal angekommen. Wir kümmern uns in den nächsten Tagen um dich!" Fragende Kindergesichter: Warum sollte man zu jemand sprechen, der tot ist? Patricia Rinklin erklärt’s: "Wir haben gemerkt, dass es für uns leichter ist, wenn wir zu den Verstorbenen sprechen, ihnen sagen, was wir mit ihnen tun, wie man das auch mit einem Kranken machen würde." Ach so, eigentlich klar, findet nun Sarah Roth. Sie ist elf und war schon auf der Beerdigung vom Opa.

Auch andere Kinder erzählen davon, dass ihr Opa gestorben ist. Oder die Oma. Was dann hinter den Kulissen mit den Verstorbenen passiert, erklärt die Fachfrau hier nun anschaulich, die Kinder lauschen gebannt, beobachten’s und tun unerschrocken mit, wo immer sich die Gelegenheit bietet. Mia Marie wird ausgezogen und gewaschen, die sechsjährige Thea kämmt ihr sorgfältig das strubbelige rote Haar. Jetzt: was zieht man ihr an? "Die meisten bringen Lieblingssachen zum Anziehen – ein schönes Kleid oder einen Lieblingspullover", berichtet Patricia Rinklin, "und manchmal ist es auch ein SC-Trikot."

Im Sarglager im Keller wird ein Sarg ausgesucht. Für Mia Marie ist der kleine Weidegeflecht-Kindersarg passend, finden die jungen "Bestattungshelfer" und tragen ihn hoch. "Ich hätte den Fichtensarg genommen", sagt Jakob, "weil man den anmalen kann." Und dass man hier überhaupt vieles selbst gestalten kann, ist dann für alle besonders gut auf den nächsten beiden Etappen zu sehen.

Die Trauerfeier ist wie ein letztes Fest

Auf die Tür zum Abschiedsraum wird mit Kreide Mia Marie geschrieben – drinnen wird sie im Weidenkorbsarg "aufgebahrt". Hier darf man eigene Bilder aufhängen, Blumen hinstellen, Musik machen, zählt Patricia Rinklin auf, und jetzt wäre auch die Gelegenheit, ihr allerhand Schönes und Wichtiges mitzugeben. Einer Dame, die kürzlich hochbetagt gestorben sei, habe man eine Decke in den Sarg gelegt, die ihre Mutter ihr zur Geburt gestrickt hatte. Alle staunen, finden’s rührend und überlegen, was sie selber bei sich haben wollten. Und auch das: "Was würdest du angezogen haben wollen?" Lina Strubel und ihr Bruder Ben überlegen, ob Radklamotten das richtige wären.

Mia Marie bekommt zum Abschluss noch eine "Trauerfeier" im Trauerfeierraum. "Das ist so was wie ein letztes Fest", sagt Patricia Rinklin, "da wird viel geweint, aber es wird auch viel gelacht, denn man erzählt sich ganz viel von dem Verstorbenen und es wird Musik gemacht." Dass die Trauer ihren Raum braucht, wird deutlich, aber auch, dass Herzeleid Heilung braucht. Ringsherum geben die Kinder Tipps für Tröstliches. Und sie finden: Die Tour im Bestattungshaus an sich ist auch tröstlich. Der elfjährige Ben: "Das war super erklärt! Und es ist überhaupt nicht gruselig, wenn man das jetzt alles kennt und weiß."

Mehr Fotos gibt es online auf http://www.mehr.bz/maus-horizonte http://mehr.bz/maus-horizonte

Ressort: Freiburg

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 04. Oktober 2016: PDF-Version herunterladen

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