Klatsch, Tratsch und Freundschaftsbekundungen
Im Literaturcafé in St. Blasien liest der frühere Höchenschwander Bürgermeister Werner Rautenberg. Er präsentiert dort den Briefwechsel von Goethe mit einem seiner Vorfahren.
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
Der Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter zählt mit seinen über 850 Briefen sicherlich zu den eindrucksvollsten Zeitdokumenten des 19. Jahrhunderts, zumal Zelter, der auch Leiter der Singakademie und Lehrer unter anderem von Felix Mendelssohn und Otto Nicolai war, zu den ganz wenigen Duzfreunden Goethes gehörte.
Zelter, heute beinahe nur noch ganz alteingesessenen Chorgemeinschaften bekannt, die traditionell zu ihrem 100-jährigen Bestehen die Zelter-Plakette verliehen bekommen, gehörte zu seiner Zeit zu den herausragenden Persönlichkeiten im kulturellen Leben Berlins. Wie wichtig die Freundschaft mit Goethe für Zelter war, bezeugt ein Brief aus dem Jahr 1818 an den damals einmal schwer erkrankten Goethe, in dem es heißt: "Wenn du gehst, nimm mich mit, nimm den treuen Bruder mit." Und wirklich starb Carl Friedrich Zelter im Jahr 1832 nur 54 Tage nach Goethes Tod, ohne zuvor ernstlich krank gewesen zu sein.
Goethe selbst sprach von Zelter als einem Menschen, der in Gesprächen genial immer den Nagel auf den Kopf treffe, der bei der ersten Begegnung manchmal etwas derb erscheine, aber tatsächlich unglaublich zart sei, und verglich ihn mit einem vortrefflichen Wein, der ihm größte Erquickung verschaffe. Zelter hat über 90 von Goethes Gedichten vertont, und Goethe zog diese Vertonungen bei weitem denen etwa von Schubert vor, weil Zelter immer dem Wort den Vorrang vor der Musik einräumte.
Der Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter begann im Jahr 1799 und er enthält sehr persönliche Aussagen und Bekenntnisse beider, aber durchaus auch Klatsch und Tratsch aus Berlin, mit denen Zelter Goethe humorvoll versorgte.
Die einzelnen Briefstellen, die Werner Rautenberg ausgewählt hatte, las er zur besseren Nachvollziehbarkeit gemeinsam mit seiner Frau Angelika, indem er selbst Zelters Briefzitate las, seine Frau diejenigen Goethes. Über die Bedeutung des Todes von Schiller im Jahr 1805, der Zelter für Goethe nochmals wichtiger werden ließ, waren sich beide einig. Goethe schrieb, mit Schiller habe er die Hälfte seines Daseins verloren, und er regte Zelter dazu an, Veranstaltungen über Schiller zu organisieren, um etwas für dessen Andenken zu bewirken.
Nach zehn glücklichen Ehejahren verlor Zelter 1812 seine Frau, und dann erschoss sich auch noch sein Stiefsohn. Das war für Goethe der Anlass, Zelter erstmals mit dem vertraulichen Du anzureden, wobei er ihm offenbarte, sein Werther spiegele nicht die einzige Zeit, in der er sich selbst auch mit Todesgedanken getragen habe, er könnte gerade durchaus nochmals einen schreiben. Zelter seinerseits beschreibt mit liebevoller Hingabe den Eindruck bei der Betrachtung seines toten Stiefsohnes. Dieser führte im Anschluss an den Vortrag Rautenbergs zu einer angeregten Unterhaltung der Zuhörer über die berührende und zugleich seltsam distanzierte Betrachtungsweise Zelters, sowie über eine gewisse durchgängige Tabuisierung des Todes bei Goethe, die den Hinweis auf den Werther noch wichtiger erscheinen lässt.
Manche Aussagen, etwa die Klage über die Schnelllebigkeit der modernen Zeit, die die Menschen in eine Art von Mittelmäßigkeit verfallen lasse, muten, da waren sich die Zuhörer mit Rautenberg einig, geradezu als Folie für das Heute an.
