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BZ-Interview mit Paul Ripke

"Ich gehöre zu den Fußballromantikern, die Hoffenheim und Leipzig verabscheuen"

Frank Zimmermann
  • Fr, 03. Juni 2016, 10:03 Uhr
    Kultur

Im WM-Finale 2014 begleitete Fotograf Paul Ripke die Weltmeister in Rio – an Orte, wo kein anderer Zugang hatte. Jetzt zeigt er diese Fotos in Freiburg. Im Interview spricht er über die Nähe zur deutschen Nationalmannschaft und schwierige Porträts.

Außergewöhnlicher Moment: Jérôme Boate...aul Ripke (rechts) nach dem WM-Triumph  | Foto: Paul Ripke
Außergewöhnlicher Moment: Jérôme Boateng und Paul Ripke (rechts) nach dem WM-Triumph Foto: Paul Ripke

Im WM-Finale 2014 wurde Paul Ripke zum Helden, der die Helden fotografierte: Er begleitete die Weltmeister in Rio mit der Kamera an Orte, zu denen kein Kollege Zugang hatte: in den Innenraum, in die Kabine, zur Weltmeisterfeier in Berlin. Der 35-jährige Fotograf ohne Hemmungen macht Konzertreportagen, auch in bewegten Bildern, und begleitet Musiker wie den Rapper Marteria und die Toten Hosen. Bevor die Fußball-EM losgeht, zeigt Ripke eine Auswahl seiner WM-Fotos – am kommenden Dienstag in Freiburg.

BZ: Sind Sie so kurz vor der EM schon im Fußballfieber? In Ihrem Blog habe ich gesehen, dass Sie neulich beim Euro-League-Endspiel Sevilla gegen Liverpool in Basel waren.

Ripke: Dieses Jahr fand ich den FC Liverpool sehr gut, deshalb endete mein Fußballfieber am 18. Mai mit einem nicht so schönen Abend [Liverpool verlor das Endspiel gegen den FC Sevilla 1:3, die Red.]. Mit Dortmund habe ich auch sehr sympathisiert, aber auch das Pokalspiel gegen den FC Bayern endete ja bekanntlich nicht so wunderbar. Dieses Jahr bringe ich fußballerisch kein Glück, deshalb bin ich noch nicht im EM-Fieber.
Ich gehöre zu den Fußballromantikern, die diese komischen Vereine aus Hoffenheim und Leipzig verabscheuen. Paul Ripke
BZ: Ihre Liebe zum FC Liverpool hat mit Ihrer Bekanntschaft zu Campino von den Toten Hosen, einem glühenden Liverpool-Fan, zu tun?
Ripke: Ja, der hat mich zu Spielen mitgenommen und angesteckt. Ich war bei der Gedenkfeier für die Katastrophe von Hillsborough [am 15. April 1989 wurden im Hillsborough-Stadion im englischen Sheffield 96 Menschen bei einem FA-Cup-Spiel erdrückt und zu Tode getrampelt die Red.]. Wer den SC Freiburg gut findet, der wird sich in Liverpool sehr wohl fühlen. Ich gehöre zu den Fußballromantikern, die diese komischen Vereine aus Hoffenheim und Leipzig verabscheuen.
BZ: Werden Sie bei der Fußball-EM das deutsche Team wieder begleiten?
Ripke: Nein, denn ich ziehe am 1. Juli in die USA. Bei der WM 2014 wurde ich aber auch erst einen Tag vor dem Finale angerufen. Ich habe mal geguckt: Unmittelbar vor dem EM-Finale fliegen noch sechs Maschinen von Los Angeles nach Paris – ich lasse das Handy mal an, aber rechne diesmal nicht mit einem Anruf.

Vielleicht wächst die Euphorie ja noch, der DFB hat ja nicht gerade die einfachste Zeit hinter sich. Paul Ripke
BZ: Warum nicht? Ihre Bilder waren doch ein Riesenerfolg.
Ripke: Der DFB will dieses Mal nicht so viel Doku machen, aber wer weiß, vielleicht wächst die Euphorie ja noch, der DFB hat ja nicht gerade die einfachste Zeit hinter sich.

BZ: Sie würden aber schon gerne...
Ripke: Ach, wenn mich jemand anruft... Ich selbst würde mir nie anmaßen, einem Wunsch dieser Mannschaft nicht gerecht zu werden. Da sagt man nicht Nein. Ich rechne aber nicht damit.

BZ: Was war Ihr Job in Rio, wie Sönke Wortmann 2006 einfach mittendrin sein?
Ripke: Ja, wobei die Aufgabe nie genau definiert war. Am Ende der drei Tage hatte ich eine Festplatte mit 16 000 Fotos. Dass daraus dann ein Buch geworden ist, liegt allein daran, dass die Mannschaft das zugelassen hat. So, wie sie zugelassen hat, dass überhaupt jemand Fotos von ihnen in diesen Situationen gemacht hat.

BZ: Sie haben nie gestört?
Ripke: Ich hatte drei Jahre intensiv mit der Mannschaft und dem DFB zusammengearbeitet und einige Spieler gut kennengelernt. Deshalb haben sie mich gar nicht als externen Störfaktor wahrgenommen.

Ich könnte nicht in den Spiegel gucken, wenn ich dieses Vertrauen gebrochen hätte. Paul Ripke
BZ: Gab es Tabus für Sie?
Ripke: Ein paar Sachen habe ich mich tatsächlich nicht getraut, es gab auch ein paar private Situationen, über die ich nicht spreche und bei denen ich nicht fotografiert habe. Ich bin da ja sowieso nur hingekommen, weil die Mannschaft mir vertraut hat. Ich könnte nicht in den Spiegel gucken, wenn ich dieses Vertrauen gebrochen hätte. Es ist kein Bild in meinem WM-Buch erschienen, das die Mannschaft nicht haben wollte.

BZ: Brauchen Sie als Fotograf immer eine gute Beziehung zu Ihrem Gegenüber?
Ripke: Ja, ich brauche immer eine gute Stimmung – und Vertrauen. Wenn ich jemanden kennenlerne, fotografiere ich in der ersten Stunde erstmal gar nicht, sondern lerne denjenigen kennen, damit Nähe entsteht. Das kann ich, wenn ich ehrlich sein darf, besser, als zu fotografieren.

Wenn ich zum Beispiel Mark Forster fotografieren müsste, den ich langweilig finde, würde kein Foto gut werden, davon bin ich überzeugt. Paul Ripke
BZ: Es wäre für Sie schwierig, gute Bilder von einem unnahbaren Diktator wie Kim Jong-un zu machen?
Ripke: Ja, das wäre schwierig. Ich habe mal Fotos von Thilo Sarrazin gemacht, die sind leider gar nicht so schlecht geworden. Ich habe mal Fotos von Helmut Schmidt gemacht, der keine Lust hatte, die Bilder sind dann auch ziemlich schlecht geworden. Wenn ich zum Beispiel Mark Forster fotografieren müsste, den ich langweilig finde, würde kein Foto gut werden, davon bin ich überzeugt.

BZ: Unterscheiden Sie zwischen Event-, Werbe- und künstlerischen Aufnahmen?
Ripke: Ein Künstler bin ich nicht. Eine Reportage setzt den außergewöhnlichen Moment voraus, ob das nun ein Formel-1-Rennen, ein Festival oder eine Exekution ist. Natürlich gibt es aber auch Unterschiede: Bei Werbung gibt es einen gemeinsamen Nenner des Kunden, der Werbeagentur, dem Fotografen und dem Abgebildeten. Wenn ich hingegen eine Fotoreportage mache, dann ist das meine Sicht auf die Dinge, da redet anders als beim Werbefoto niemand mit. In der Reportage steckt viel mehr Intensität und Persönlichkeit, meine persönliche Sicht.

Ich bin zu fett zum Surfen. Paul Ripke
BZ: Was macht ein Porträt besonders?
Ripke: Wenn man Persönlichkeit erkennt. Wir werden so viel mit Bildern bombardiert, auch mit langweiligen. Besonders ist für mich eine besondere Aufnahmetechnik, eine besondere Location oder ein besonderer Gesichtsausdruck. Durchschnitt nervt mich.

BZ: Würden Sie den Krieg fotografieren?
Ripke: Ja. Ich würde überall hingehen, ich habe aber meiner Frau und meinen Kindern versprochen, das nicht zu tun.

BZ: Warum ziehen Sie mit Ihrer Familie nach Kalifornien und für wie lange?
Ripke: Wie lange, weiß ich gar nicht, je älter ich werde, desto weniger plane ich mein Leben. Und ich hinterfrage nicht alles. Ich wollte schon immer mal außerhalb Deutschlands, leben – an einem Ort, wo man draußen leben kann, zum Beispiel mit den Kindern am Strand. Ich bin sicher, dass Hollywood nicht auf Paul Ripke wartet. Ich werde Workshops machen und vielleicht wird etwas aus den Kontakten zu Formel-eins-Fahrer Nico Rosberg. Es ist in jedem Fall eine neue Herausforderung. Und sehr befreiend, auszusortieren. Ich bin jedes Jahr in Kalifornien und großer Fan der kalifornischen Surfkultur.

BZ: Surfen Sie selbst auch?
Ripke: Null, ich bin komplett untalentiert. Und zu fett zum Surfen.
Zur Person

Paul Ripke, 35, stammt aus Heidelberg, lebt in Hamburg, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er ist Werbe-, Mode-, Sport- und Landschaftsfotograf, porträtiert Musiker, macht Fotoreportagen und gehört zu den gefragtesten deutschen Fotografen.

Foto-Kinotour "11-Freunde-Trainingslager feat. Paul Ripke": Cinemaxx Freiburg, Bertoldstr. 50, Dienstag, 7. Juni, 20 Uhr.

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Ressort: Kultur

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