Leserbrief: "Wir Wyhler haben genug ’Großes’ ertragen"

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POLDER WYHL/ WEISWEIL
Zur Diskussion um den Planfeststellungsbeschluss zum Polder Wyhl/Weisweil:
Die Baugenehmigung erteilt durch Landrat Hanno Hurth und mit den Worten verkündet: "Man kann auch Großes", ist aus Wyhler Sicht nicht Neues. Schon immer wurde unser Dorf, alleine aufgrund seiner geographischen Fluss-/Grenzlage, zwischen ganz großen Interessen zerrieben. Der Kampf gegen ein geplantes Atomkraftwerk ist nur einer von vielen. Deshalb gilt es, den politischen und behördlichen Entscheidern, unseren Wyhler Blickwinkel aufzuzeigen.

Die Rheinkorrektur führte, beginnend ab 1790, zur Enteignung der sogenannten Vorlande. Ein Streifen Wald entlang des Hauptdammes wurde dem Dorf genommen und (bis heute) dem Land zugeschlagen. Nach dem Ersten Weltkrieg verlor Wyhl durch den Friedensvertrag von Versailles 1919 die linksrheinischen Wälder und Matten – 123 Hektar Gemeindegebiet gingen ersatzlos verloren.

Nur kurze Zeit später bahnte sich der nächste große Wahnsinn an mit dem Bau des Westwalls durch die Nazis, dem Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen. Der Wald wurde zur Sperrzone. Viele Wyhler fanden Haus und Heim 1945 zerstört vor.

Nach dem Bau des Rheinseitenkanals in Frankreich ging das rechtsrheinische Grundwasser extrem zurück, viele Bäume in Wald und Flur starben ab. Die Gemeinde wurde nicht entschädigt.

Ab 1945 war Wyhl über Jahrzehnte Schauplatz jährlicher Militärmanöver während des Kalten Krieges an der Nato-Rampe und im Rheinwald.

1975 plante das Land ein Atomkraftwerk im Wyhler Wald. Der soziale Frieden war hier im Dorf und im Umland enorm gestört. Gräben zogen sich durch Familien, Vereine und Arbeitsplätze. Eine sehr große psychische Belastung für unsere Bevölkerung. Nachdem das Größenwahnprojekt abgewendet war, änderte das Land die Nutzung in Wald und Flur. Der Wald wurde zum Naturschutzgebiet "Rheinniederung Wyhl-Weisweil".

An der südlichen Gemarkungsgrenze entsteht die große Erdaushubdeponie des Landkreises Emmendingen. Millionen Tonnen Erde aus dem ganzen Landkreis werden über dem größten Grundwasserreservoir Europas gesammelt und zu einem 36 Meter hohen Berg aufgefüllt.

Seit 1985 plant das Land Hochwasserrückhalteräume am Oberrhein, auch bei Wyhl. Hier sollen über 600 Hektar Wald zukünftig regelmäßig mit Flutungen "trainiert" werden. Der Rückhalteraum soll ein 200-jähriges Hochwasser abfedern zu Gunsten der Industrie in Mannheim und Ludwigshafen. Große Dämme werden den Fluss zu einem See anstauen. Pumpen und empfindliche Sensoren-Technik sollen die Wyhler Bevölkerung vor eindrückendem Grundwasser schützen. Gleichzeitig entstehen an allen Zuflüssen des Rheins große Neubaugebiete. Ob im Dreisamtal bei Kirchzarten, Ebnet oder an der Elz bei Emmendingen – an den Zuflüssen sollte das Hochwasser abgefedert werden. Naturverbände und Grüne sprechen von Renaturierung und Auenlandschaften wie vor Tullas Begradigung. Künstliche Flutungen werden das jungfräuliche Naturschutzgebiet zerstören.

Damit noch nicht genug: Die nächsten überregionalen Ideen suchen sich Wyhler Fläche aus. Der Regionalverband plant Flächen rund um Wyhl für Wind- und Solarenergie. Unser Dorf soll/ kann/darf von Windrädern umzingelt werden.

Mit solch einer Historie sollte unser Dorf am Oberrhein anders betrachtet und schließlich auch behandelt werden. Sehr geehrter Herr Hanno Hurth, liebe Verantwortlichen, wir Wyhler haben mittlerweile genug "Großes" erlebt und ertragen. Gehört denn zu einer behördlichen Entscheidung nicht auch der Grundsatz von Verhältnismäßigkeit, Empathie, Augenmaß und das beste angewandte Mittel? Die Bürger und die BI hatten Ihnen oft genug vernünftige Vorschläge unterbreitet. Der zukünftig zerstörte Wyhler Wald wird Ihnen zur Last gelegt werden. Verwaltungstechnisch haben Sie, Herr Hurth vielleicht richtig entschieden, moralisch jedoch falsch.Joachim Kniebühler, Wyhl
Schlagworte: Hanno Hurth, Joachim Kniebühler
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