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Macht was, statt bloß zu meckern!

  • Sa, 02. Juni 2007
    Zisch

Eine Erwiderung an die Kritik von Erwachsenen .

LAHR. "Die Jugend von heute ist sowieso gaaanz anders!", klagt mein Gegenüber. Ich kann es nicht mehr hören. Immer diese Anklagen, wie schlimm die Jugend von heute doch ist. Ich sehe das anders.

Erwachsene schwelgen in ihren Erinnerungen: "Ach, was waren das doch früher noch für Zeiten", und dann berichten sie von ihrem ach so schönen Leben: Früher, ohne supermoderne Technik, lebte man in aller Gemütlichkeit ohne Stress und Hektik in seinem kleinen Dörfchen mit dem Tante-Emma-Lädchen nebenan, ging einmal wöchentlich in seinen Wanderverein, sonntags in die Kirche und erfreute sich mit seiner Großfamilie an seinem schönen Leben. Und dann hör ich wieder das Gejammer:"Heute läuft das ja alles ganz anders, bei den jungen Hasen, ne?"

Die Jugend sei technikvernarrt, verwöhnt, von sozialem Engagement haben sie sowieso noch nie etwas gehört, kennen keine Werte und keinen Anstand, sind nur auf ihren Spaß aus, total faul und überhaupt haben sie ja für nichts und niemanden mehr Zeit. So lautet das Gemecker der Älteren, die damit die − natürlich schlechten − Veränderungen der Gesellschaft begründen. Doch, sind es wirklich die bösen Jugendlichen, die daran die Hauptschuld tragen?

Was kann denn die heutige Jugend für ihr Benehmen und Denken? Ich denke, dass Kinder doch viel mehr Produkte ihrer Erziehung, Generation und Umwelt sind. Würde ein Kind sich ein Handy oder einen Computer wünschen, wenn es sich nicht schon längst mit den Gerätschaften seiner Eltern oder Freunde befasst hat?

Auch der Gedanke "Zeit ist Geld", aus dem der Stress und das angeblich fehlende Engagement in Vereinen resultiert, ist doch eine Denkweise der gesamten Gesellschaft. Da, wo niemand mehr Zeit für Dinge wie das Beisammensein der Familie hat, kommt der Werteverlust ins Spiel. Mobbing, Gewalt, Alkohol und Drogen sind für Jugendliche Mittel, um ihre Probleme im Leben, zum Beispiel in der Schule und zu Hause, zu bewältigen.

Klar, sich hinter einem Schutzschild vor dem Leben und dessen Problemen zu verbergen oder Konflikte durch die Unterdrückung Schwächerer (zum Beispiel auf dem Schulhof) zu vertuschen, ist keine Lösung. Aber das machen nicht nur Jugendliche. Kinder übernehmen oft die Verhaltensweisen ihrer Eltern. Wie es eben so ist, übertreiben die Jugendlichen in allem und überschreiten die Grenzen, an die die Älteren schon gefährlich nahe herangetreten sind. Wenn Erwachsene über die ach so schlimme Jugend klagen, vergessen sie ihr eigenes Verschulden daran, dass es so gekommen ist.

Überhaupt glaube ich, dass die Panik über die zusammenbrechende Gesellschaft aufgrund der fehlenden Werte der Jugend unbegründet ist. Das war doch alles schon mal da. "Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer" − das hat schon vor fast 2500 Jahren der Philosoph Sokrates gesagt. Aber welch Wunder: Die Spezies Mensch lebt noch immer zusammen in einer Gesellschaft, ohne sich gegenseitig zu zerfleischen, jedenfalls bei uns.

Bevor die Gesellschaft wegen der mangelnden Tragfähigkeit der neuen Generation zusammenbricht, werden die Menschen noch eher von der Sonne verschmort. Denn nicht nur Themen wie Mobbing, Gewalt und Alkohol bei Jugendlichen sind wichtig, sondern auch, meine Damen und Herren, der Klimawandel und die globale Erwärmung. Und für den viel zu hohen Kohlendioxidausstoß kann die junge Generation wohl wirklich nichts. Also, verehrte Erwachsen, an der eigenen Nase packen und etwas bewegen anstatt nur zu meckern.

Ressort: Zisch

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 02. Juni 2007: PDF-Version herunterladen

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