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"Man muss sich neue Wege überlegen"

  • Fr, 18. Dezember 2020
    Schülertexte

ZISCHUP-INTERVIEW mit dem Arzt Michael Berner über die durch Corona verursachte Mehrarbeit in einem Klinikum.

Corona kann auch für die Psyche zur Belastung werden.   | Foto: charnsitr - stock.adobe.com
Corona kann auch für die Psyche zur Belastung werden. Foto: charnsitr - stock.adobe.com

Michael Berner leitet die Klinik für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin am städtischen Klinikum Karlsruhe und ist dort auch der Sprecher der Chefärzte. Seine Tochter Clara Berner aus der Klasse 8a des Freiburger Goethe-Gymnasiums wollte von ihm wissen, was Corona mit seinen Patienten macht.

Zischup: Was hat sich durch Corona bei euch im Krankenhaus verändert?
Berner: Man kann sich das so vorstellen, dass man in kurzer Zeit ein Krankenhaus in Teilen abreißen und ein neues bauen muss.

Zischup: Was bedeutet das?
Berner: Für die Behandlung der Patienten, die an Covid-19 erkrankt sind, muss man Operationen absagen, Stationen schließen, weil man das Personal braucht, um die Patienten mit Covid-19 zu behandeln. Auch muss man beispielsweise in den Notaufnahmen aufpassen, dass dort keine Erkrankungen übertragen werden. Man muss sich also im wörtlichen Sinne neue Wege überlegen, die Patienten gehen müssen.

Zischup: Ist das nicht anstrengend für die Mitarbeiter?
Berner: Ja sehr, für viele bedeutet das, dass sie die Arbeit, die sie jahrelang gemacht haben, nicht mehr machen können und plötzlich etwas anderes machen müssen. Eine OP-Schwester muss dann plötzlich auf einer Infektionsstation arbeiten. Oder eine technische Assistentin aus der Zahnklinik muss Corona-Abstriche machen. Dazu kommen natürlich für jeden von uns auch die vielen Vorsichtsmaßnahmen, die im Krankenhaus noch intensiver als anderswo ausfallen. Uns aber auch im Privaten belasten.

Zischup: Und wie sieht es bei den Patienten aus?
Berner: Viele Patienten machen sich große Sorgen, dass sie sich gerade im Krankenhaus mit dem Coronavirus infizieren könnten. Aber das genaue Gegenteil ist der Fall. Erst einmal ist das Krankenhaus ein sicherer Ort, an dem man sich weniger als anderswo ansteckt. Weil wir ja gut darauf aufpassen. Zum anderen aber kommen viele Patienten wegen dieser Angst erst sehr spät ins Krankenhaus. Oder trauen sich gar nicht. Es gib deshalb Schätzungen, dass viel mehr behandlungsbedürftige Krankheiten wie etwa schwer wiegende Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht entdeckt werden, weil sich die Patienten nicht ins Krankenhaus trauen.

Zischup: Und wie sieht das mit deinen Patienten aus?
Berner: Wir behandeln ja Patienten mit seelischen Störungen. Und wir beobachten, dass unsere Patienten viel später und viel kränker zu uns in die Klinik kommen, weil sie sich vorher nicht getraut haben. Für viele unserer Patienten stellt die Tatsache, dass wir überhaupt nicht wissen, wie sich die Pandemie entwickelt, eine ganz große Belastung da. Ihre schon vorhandenen Ängste werden noch größer.

Zischup: Was meinst du denn persönlich zu den Corona Maßnahmen?
Berner: Wer im Krankenhaus arbeitet, weiß, wie gefährlich diese Erkrankung ist, besonders natürlich für ältere Menschen. Das heißt, ich finde es schon wichtig, dass wir in Deutschland gut darauf achten, dass wir die Menschen die krank sind, auch wirklich noch behandeln können. Denn das Schlimmste wäre, wenn man beispielsweise einen Patienten beatmen muss und keinen Platz im Krankenhaus für ihn findet. Dann stirbt er. In vielen Ländern ist es schon so, in Deutschland zum Glück nicht. Und deshalb haben die meisten Menschen, die im Krankenhaus arbeiten, kein Verständnis für Menschen, die nicht an die Existenz oder Bedrohlichkeit des Virus glauben.

Zischup: Was rätst du den Menschen, die sich Sorgen machen?
Berner: Die Maßnahmen Abstand, Masken und so weiter helfen wirklich gut. Die Krankenhäuser werden im Umgang mit der Pandemie auch routinierter und besser. Auch wenn wir schlechter dran sind als im Frühjahr, was die Infektionszahlen angeht, so können wir nun besser mit den Kranken umgehen. Jeder muss auch für sich wissen, dass der gute Moment – wenn zum Beispiel die Sonne draußen scheint und man einen Spaziergang macht – zählt. Das gilt es zu genießen. Gegen Einsamkeit und Isolation hilft am besten: In Kontakt mit anderen Menschen bleiben, auch wenn es nur über Whatsapp oder das Telefon ist. All das wird vorübergehen, selbst wenn wir nicht genau wissen wann.

Zischup: Und was denkst du ist für Schulkinder besonders belastend?
Berner: Abgesehen vom Sitzen im Kalten, aber gelüfteten Klassenzimmern gibt es natürlich viele Belastungen. Das sind die ausgefallenen Abschlussfeiern, Jahrgangsfahrten, Schullandheime und so weiter. Keine schöne Zeit. Und auch die Treffen mit Freunden müssen deutlich beschränkt werden. Aber auch hier gilt: Wenn sich alle an die Regeln halten, werden wir auch diese Schwierigkeiten bewältigen.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 18. Dezember 2020: PDF-Version herunterladen

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