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"Man muss vor allem eines haben: Unmengen von Geduld"

  • Do, 26. Juli 2001
    Zisch

JUZ-INTERVIEW mit Nathalie Leberl, die nach einjährigem Berufspraktikum an einer Förderschule nun mit dem Studium der Sonderschulpädagogik beginnt.

Wer das Abi in der Tasche hat, weiß oft nicht, wie es nun weiter gehen soll: Studieren? Ausbildung? Ausruhen? Nathalie Leberl (20) aus Schuttern hat sich für eine andere Variante entschieden. Von September 2000 bis Juli 2001 machte sie ein Praktikum an der Gutenbergschule in Lahr, einer Förderschule. JuZ-Mitarbeiter Dominic Fritz sprach mit Nathalie über die Vorteile eines langen Praktikums.

JuZ: Wie kamst du ausgerechnet auf die Sonderschulpädagogik?
Nathalie Leberl: Ich war mir schon immer sicher, dass ich etwas mit Kindern machen will. An einer "normalen" Schule allerdings beschränkt sich das Lehrer-Sein auf die reine Wissensvermittlung, es steckt nicht mehr dahinter. An einer Sonderschule muss man sich viel intensiver mit den Kindern beschäftigen.
JuZ: Und wie bist du zu dem Praktikum an der Gutenbergschule gekommen?
Nathalie Leberl: Ich war mit dem Berufserkundungs-Praktikum dort. Schon damals hat mir das sehr gut gefallen. Und weil ich nach dem Abi nicht direkt studieren wollte, habe ich mich für den Praktikumsplatz beworben, um zu sehen, ob ich das mit der Sonderschulpädagogik wirklich machen will.
JuZ: Warum wolltest du nicht gleich mit dem Studium beginnen?
Nathalie Leberl: Ich wusste einfach nicht, ob ich das gut durchhalten kann.
JuZ: Und, kannst du es?
Nathalie Leberl: Ja. Am Anfang war es schon schwer, dass die Kinder auch auf dich hören, wenn du was sagst. Aber je länger man dort ist, desto sicherer wird man. Man lernt, sich durchzusetzen.
JuZ: Kamen dir unter dem Jahr auch Zweifel ob der Beruf richtig für dich ist?
Nathalie Leberl: An dem Entschluss, Sonderschullehrerin zu werden, nicht. Aber ich hab schon mal gedacht, das reicht doch jetzt, ich hab alles gesehen.
JuZ: Was motiviert dich?
Nathalie Leberl: Ich bin halt gerne mit jungen Leuten zusammen, und an einer Sonderschule gibt es die zusätzliche Herausforderung, den Kindern und Jugendlichen das Leben leichter zu machen.
JuZ: Was waren denn deine konkreten Aufgaben bei dem Praktikum?
Nathalie Leberl: Ich konnte im Großen und Ganzen selbst bestimmen, was ich mache - schließlich bekam ich auch kein Geld dafür.
JuZ: Du musstest also . . .
Nathalie Leberl: Ich musste gar nichts, ich wollte! Meistens war ich im Unterricht in den verschiedenen Klassen und habe den Kindern geholfen, wenn sie nicht mehr weiter wussten oder Hilfe bei den Schulaufgaben brauchten.
JuZ: Entstanden dadurch auch persönliche Bindungen zu den einzelnen Schülern?
Nathalie Leberl: Natürlich. Es war mir deswegen auch wichtig, immer mehrere Wochen in einer Klasse zu bleiben, um zu sehen, wie die Schüler sind, wie sie sich untereinander verhalten.
JuZ: Was braucht eine Sonderschulpädagogin deiner Erfahrung nach?
Nathalie Leberl: Man muss vor allem eines haben: Unmengen von Geduld. Und die Kinder dürfen einem nicht leid tun. Auch wenn viele Kinder gar nichts dafür können, wie sie sich verhalten. Man merkt häufig, dass die Kinder viel allein sind, dass sie Aufmerksamkeit brauchen und es ist traurig, dass wir ihnen diese Aufmerksamkeit geben müssen. Viele haben das "normale" Sozialverhalten nicht gelernt, das kann man ihnen gar nicht übelnehmen. So gibt es schon auch oft Konflikte vor, auch Prügeleien. Vor dem Praktikum hatte ich Angst, bei sowas dazwischen zu gehen, aber man lernt, damit umzugehen.
JuZ: Würdest du so ein Jahr vor dem Studium auch anderen empfehlen?
Nathalie Leberl: Wenn jemand Lehrer werden will, auf jeden Fall. Eine gewisse Zeit "Ausprobieren" kann nicht schaden. Ich hab' es mir schlimmer vorgestellt, aber es war eine wahnsinnige Bestätigung, dass der Beruf echt was für mich ist. Es hat mich so bestärkt. Und ich habe mich an verschiedenen PHs beworben und will am liebsten gleich anfangen und nicht länger rummachen!

Ressort: Zisch

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 26. Juli 2001: PDF-Version herunterladen

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