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Schweden

"Negerkönig" – Gemeinde verbrennt Pippi-Bücher

André Anwar

Von

Do, 27. Juli 2017 um 00:01 Uhr

Panorama

Schwedens renommiertester Fernsehjournalist hat eine Gemeinde scharf kritisiert, weil sie uralte Pippi-Bücher aus politischer Korrektheit verbrannt hat. Es geht unter anderem um Pippis Papa den "Negerkönig".

Auch er störte sich am „Negerkön...nga, ein freier Journalist aus Bonn.    | Foto: DPA
Auch er störte sich am „Negerkönig“ in alten Pippi-Büchern: Kaisa Ilunga, ein freier Journalist aus Bonn. Foto: DPA
Janne Josefsson gilt aufgrund seiner investigativen Recherchen für den öffentlich rechtlichen Sender SVT als einer der gefürchtetsten Journalisten in Schweden. Er gilt heute als Institution. Dementsprechend hoch schlugen die Wellen, als er in einem eher gemütlich angelegten Sommerprogramm für Prominente bei Radio Schweden Anschuldigungen an die südwestlich von Stockholm gelegene Kommune Botkyrka richtete. Die Kommune lasse uralte Ausgaben von Astrid Lindgrens Pippi-Langstrumpf Reihe in seinen Bibliotheken aus ideologischen Gründen entsorgen und verbrennen, polterte der eher linksorientierte Journalist.

Tatsächlich hat die Gemeinde eine neue interkulturelle Richtlinie erlassen, der zufolge rassistisches Gedankengut im Kulturbereich beseitigt werden soll. "Wusstet ihr, dass man heute Bücher in Schweden verbrennt?", leitete Josefsson seine wütende Rede ein. Unter anderem geht es um die seit 1948 veröffentlichten Ausgaben von "Pippi in Taka-Tuka-Land". Darin nennt Astrid Lindgren Pippis Vater Efraim Långstrump, wie er im schwedischen heißt, "Negerkönig". "Wenn man Bücher aus ideologischen Gründen verbrennt, sagt etwas in mir: Moment mal, sollen die wirklich verschwinden? Sollten wir sie nicht erhalten, so dass ich meinen Kindern erzählen kann, wie man sich damals ausgedrückt hat", sagte Josefsson.

Auf den Ansturm, der auf die Worte folgte, war Botkyrka nicht vorbereitet und verteidigte sich ungeschickt. Alte Bücher müssten immer wieder einmal entsorgt werden, um Platz für neue zu schaffen, ließ die Gemeinde verlauten. So habe man es auch mit einigen Pippi-Büchern gehandhabt. Das habe nichts mit Ideologie zu tun. Man habe die alten Pippi-Bücher durch neue Ausgaben ersetzt. Gleichzeitig gab die Gemeinde aber zu, dass auch Bücher entsorgt würden, in denen "veraltete Ausdrücke, die als rassistisch aufgefasst werden können, vorkommen". Der Verlag Astrid Lindgrens hat in den Ausgaben, die nach 2015 in Schweden erschienen sind, Worte wie "Neger" durch weniger Verfängliches ersetzt. Diese Ausgaben stehen nun auch in den Bibliotheken von Botkyrka, statt der uralten Exemplare.

"Die Gemeinde versucht das abzutun, in dem sie sagt: So machen wir das mit allen Büchern, die aussortiert werden. Aber hier tut man es aus ideologischen Gründen, weil Botkyrka interkulturelle Richtlinien eingeführt hat", erwiderte Josefsson. "Die Nazis haben marxistische Literatur verbrannt, weil sie sie unbequem fanden. Hier tut man es aus anderen Gründen." Man könne doch nicht die gesamte alte Weltliteratur, in der solche Begriffe vorkommen, entsorgen oder nachträglich gemäß der neu erlassenen Richtlinien abändern, so Josefsson. Man müsse vielmehr kritisch darüber diskutieren, wie und warum bestimmte Sichtweisen und Ausdrücke vor dem Hintergrund der jeweiligen Zeit entstanden sind.

Viele Schweden halten den Streit zumindest im Fall der Pippi für etwas absurd. Es sei doch gut, dass die Kinder nicht mehr die alten rassistischen Ausdrücke lesen müssten, ist vielfach zu hören. Und: Was hätte Astrid Lindgren wohl dazu gesagt? "Heutzutage hätte ich Pippis Papa nie zu einem Negerkönig gemacht", hatte Lindgren schon in einem schwedischen Interview von 1970 geäußert. In einem privaten Brief von 1957 schrieb sie: "Ich missbillige jegliche Einteilung von Menschen in Nationen und Rassen".

Auch in Deutschland gab es vor einigen Jahren Debatten wegen des Worts "Negerkönig" in den Lindgren-Büchern. Damals hatte der Oetinger-Verlag in seiner deutschen Übersetzung das Wort durch "Südseekönig" ersetzt. In alten Büchern blieb das Wort dagegen erhalten. Im Jahr 2011 beschwerte sich darüber der aus dem Kongo stammende Bonner Journalist Kaisa Ilunga – und fachte die Debatte erneut an. Er vertrat die Ansicht, dass sich Kinder mit afrikanischen Wurzeln durch dieses Wort diskriminiert fühlten.

Ressort: Panorama

  • Zum Artikel aus der gedruckten BZ vom Do, 27. Juli 2017:
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