Streit um Programm
Polizei darf Verbrecher mit Palantir-Software jagen
Hinter der Software von Palantir steht kein Geringerer als Trump-Fan und Tech-Milliardär Peter Thiel. Bald darf die Polizei im Südwesten damit Gefahren abwehren. Was das bedeutet.
Nico Pointner (dpa)
Di, 29. Jul 2025, 14:16 Uhr
Baden-Württemberg
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen

Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa).
Die BZ-Redaktion hat diese Meldung nicht redaktionell bearbeitet.
Stuttgart (dpa/lsw) - Es soll nicht weniger sein als ein Booster für die Polizei im Kampf gegen das Verbrechen, gegen Terroristen, Gewalttäter und Missbrauchstäter: Die Ermittler in Baden-Württemberg sollen nach langem Zoff bald mit der Analysesoftware von Palantir schneller und effizienter Kriminelle jagen dürfen. Aber das Programm "Gotham" bleibt umstritten.
Was genau kann das Programm "Gotham"?
Die US-Software wurde speziell für Sicherheitsbehörden entwickelt und wird von Geheimdiensten, Militär und Polizei genutzt. Fakt ist: Die Ermittler kämpfen auch hierzulande mit immer größeren Datenbergen. Mit "Gotham" können Millionen Daten aus verschiedenen Quellen ausgewertet und verknüpft werden. Das Programm hat dabei nur Zugriff auf Informationen, die die Polizei ohnehin schon gesammelt hat. Viele Menschen, von denen dort Daten erfasst sind, sind aber keine Verdächtigen - sondern Zeugen, Opfer oder Auskunftspersonen.
Aus Polizeidatenbanken und Überwachungsmaterial können automatisiert Zusammenhänge zwischen Personen, Orten und Ereignissen aufgedeckt werden. Mit der Software könne in einer akuten Gefahrenlage Schlimmeres verhindert werden, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Auch Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen setzen bereits auf die Software.
Warum ist die Software umstritten?
Weil etwa Datenschützer große Bedenken haben. Sie äußerten wiederholt die Sorge, dass Polizei-Daten in die USA abfließen könnten. Das Fraunhofer Institut für Sichere Informationstechnologie fand im Quellcode jedoch keine Hinweise auf versteckte Hintertüren. Trotzdem warnen Datenschützer vor einer ausufernden Sammlung und Verknüpfung von Daten und einer Gefährdung von Persönlichkeitsrechten. Der Verein Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat sogar eine Verfassungsbeschwerde gegen den Einsatz des Programms in Bayern eingelegt. Das Unternehmen Palantir versichert, selbst keine Daten zu sammeln, zu verkaufen oder für eigene Zwecke zu verarbeiten.
Palantir steht aber auch in der Kritik aufgrund des Mitbegründers Peter Thiel. Der Tech-Milliardär ist bekannt für seine libertären und rechtskonservativen Positionen, seine Nähe zu Donald Trump und seine Kritik an liberalen Demokratien. In Europa sehen viele Thiel deshalb kritisch – ebenso wie die Idee, sicherheitsrelevante Infrastruktur von US-Unternehmen abhängig zu machen. Thiel halte heute aber nur noch etwa sieben Prozent am Unternehmen, argumentiert das baden-württembergische Innenministerium.
An der Einführung der Software hatte sich zuletzt auch ein handfester Streit in der grün-schwarzen Koalition entzündet. Warum?
Die Grünen sehen das Programm generell kritisch. Die Polizei in Baden-Württemberg hat zudem einen Vertrag über fünf Jahre mit dem US-Unternehmen Palantir abgeschlossen, um die Analyse-Software zu nutzen - allerdings fehlte für die Anwendung bislang die gesetzliche Grundlage. Auch das hatten die Grünen kritisiert.
Nun einigte man sich im Kabinett auf die Nutzung und machte den Weg frei für die notwendige Änderung des Polizeigesetzes. Kostenpunkt über den Zeitraum: rund 25 Millionen Euro. Für die Anwendung der Software wurden besondere Kontrollmechanismen vereinbart.
Wie sehen die konkret aus?
Das Parlamentarische Kontrollgremium des Landtags soll die Nutzung der Software überwachen, teilte Innenminister Thomas Strobl (CDU) mit. Dazu würden dem Gremium auch regelmäßig IT-Sicherheitsberichte vorgelegt. Die Polizei soll "Gotham" grundsätzlich auch nur als kurzfristige Lösung nutzen. Die Software sei "Zwischenlösung" und "Brückentechnologie", sagte Strobl. Man suche langfristig eine souveräne, europäische Lösung.
Strobl sagte, er habe bereits eine Kooperation mit Industriepartnern auf Weg gebracht, um eine solche europäische Software zu entwickeln. Die initialen Projektpartner seien Airbus Defence and Space und Schwarz Digits, die IT- und Digitalsparte der Schwarz Gruppe. Weitere Unternehmen könnten folgen. Aber derzeit sei Palantir der einzige geeignete Anbieter auf dem Markt.
Strobl versicherte, dass die Nutzung der Software sicher sei. Sie erfolge getrennt vom öffentlichen Netz, ausschließlich in gesicherten Rechenzentren in Deutschland unter Hoheit der Polizei. Ein Zugriff durch ausländische Stellen sei ausgeschlossen, so der Innenminister.
Wie hilfreich ist die Software für die Polizei im Alltag?
In Bayern allein nutzte die Polizei die Software laut Landeskriminalamt seit Anfang September 97 Mal - in welchen Fällen wollte ein LKA-Sprecher auf Nachfrage nicht sagen. Rund 200 dafür geschulte Analysten arbeiteten mit der Plattform. Anfragen, für die Beamte früher teils mehrere Tage benötigten, seien nun "nach wenigen Minuten" erledigt. Der Sprecher bezeichnete die Software als ideales Werkzeug für die Polizei.
Auch die Ermittler in NRW sind zufrieden. Die Software spielte laut Innenministerium bei einigen Fällen der Vergangenheit eine zentrale Rolle. So soll "Gotham" etwa allein anhand eines Spitznamens und einer Telefonnummer mit gefälschten Besitzerdaten die Identität eines Mannes aufgedeckt haben, der ein 13-jähriges Mädchen missbraucht haben soll.
Wann können Polizisten im Südwesten mit dem Programm arbeiten?
Das Unternehmen selbst schreibt, dass nach Abschluss aller rechtlichen und technischen Vorbereitungen eine erste betriebsfähige Version in der Regel bereits nach wenigen Wochen bereitgestellt werden könne. Strobl betont hingegen, dass die Implementierung außerordentlich komplex sei. Die Bayern hätten dafür drei Jahre gebraucht. Im Ministerium geht man davon aus, dass die Polizei das Programm ab dem zweiten Quartal 2026 nutzen könne.
Sicher ist: Ab Herbst muss das Land schon an Palantir zahlen. Eine Ausstiegsklausel für den Fall, dass doch keine politische Mehrheit zustande kommt, gibt es nicht.
© dpa-infocom, dpa:250729-930-852370/1