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PRO & CONTRA: Wer will über Gebühr studieren?

  • Holger Köpcke & Von Sebastian Lehmann

  • Do, 03. März 2005
    Zisch

     

Pro: "Um annähernd so viel zu verdienen wie

ein Akademiker muss ein Nichtakademiker

Zusatzqualifikationen aus eigener Tasche zahlen.

Studiengebühren sind sozial gerecht."

Contra: "Mit Studiengebühren steht zu befürchten,

dass es im Studium nur noch um schnellste

Wissensaneignung geht, um im Wettbewerb

der Marktwirtschaft bestehen zu können."

Ob für die regelmäßigen Kneipentouren, das eigene Auto oder trendy Klamotten: Studenten geben gerne Geld aus. Kein Wunder, dass der durchschnittliche Student mit 750 Euro nur mühsam zu Rande kommt, obwohl laut Familiengericht 200 Euro weniger auch reichen müssten. Man gönnt sich also gerne mal ein bisschen Luxus.

Was für ein großes Privileg die bisher kostenlose universitäre Bildung aber ist, übersehen Studenten dabei zumeist achtlos. Um es noch mal klar zu sagen: Handwerker müssen für ihre Meisterprüfung tief in die Tasche greifen, jeder Nichtakademiker, der durch zusätzliche Qualifikationen später auch nur annäherungsweise so viel verdienen möchte, wie jemand mit Hochschulabschluss, muss seine Fortbildungen selbst finanzieren - in der Regel selbstverständlich ganz ohne günstige Ausbildungskredite oder Bafög.

Und noch etwas spricht für ein Bezahlung des Studiums: Mit der Einführung von Studiengebühren würde wohl auch niemand mehr freiwillig länger als nötig studieren. Die dringend notwendige und vielfach geforderte Verkürzung der Studienzeit träte sozusagen automatisch ein, nur ohne dass man wie beim Bachelor am Wissen sparen würde.

Doch da höre ich die Klagelieder der eifrigen U-Asta-Vertreter: "Hilfe, der Leistungsdruck! Wo bleibt denn die Zeit, herauszufinden, was mir wirklich Spaß macht?" Jeder soll sich die Zeit zum Ausprobieren nehmen, doch dieses Privileg muss ihm auch etwas wert sein. Seid doch dankbar, dass ihr aufgrund eurer Fähigkeiten überhaupt soweit kommt, zwischen verschiedenen interessanten Berufsfeldern auszuwählen. Denn: Was soll eigentlich zu euren Karrierechancen ein Hauptschulabgänger sagen, der seine Lehrstellenangebote an einer Hand abzählen kann, wahrscheinlich nie seinen Traumberuf finden wird, dafür aber zehn Jahre länger Steuern und Rentenversicherung zahlt als jeder Student?

Natürlich ließe sich über das richtige Gebührenmodell trefflich streiten. Über eines jedoch ganz ohne Wenn und Aber sicher nicht: Studiengebühren sind sozial gerecht.

In der Debatte um Studiengebühren geht es nicht um Bildung, sondern um Geld. Es ist zu wenig Geld da, das ist in Politik und Medien Konsens. Dieser "Sachzwang" fordert Konsequenzen: Der Bürger soll selbst bezahlen, was der Pleitestaat nicht mehr zahlen will. Aber ist wirklich zu wenig Geld da? Und für was ist es sinnvoll weiterhin Geld auszugeben? Es gibt Dinge, die sind grundlegend für unsere Gesellschaft und damit für unsere Demokratie - und Bildung ist eines davon.

Eine Demokratie braucht freie, selbstständig denkende Menschen, die sich Zeit nehmen können für Persönlichkeitsentwicklung und Meinungsbildung. In einem durchstrukturiertem Studium, das schnell beendet werden soll und bezahlt werden muss - beispielsweise durch einen Nebenjob - ist dafür keine Zeit mehr. Aber die Uni ist kein Shopping Center, wo sich der Student als "Kunde" selbst bedient und immer weniger einbringt. Die Uni ist ein Miteinander von Lernenden und Lehrenden, es muss um Werte wie Ge

meinschaft und Solidarität gehen, nicht nur um Wettbewerb.

Insofern ist die Universität ein Mikrokosmos unserer Gesellschaft. Mit Studiengebühren steht zu befürchten, dass es im Studium nur noch darum geht, sich möglichst schnell Wissen anzueignen, um später im Leistungswettbewerb der Marktwirtschaft bestehen zu können. Wissen bedeutet aber nicht gleich Bildung. Wissen ist bloß eine Anhäufung von Informationen. Erst Bildung ist das selbstständige, bewusste und intelligente Anwenden eben dieses Wissens - und um Bildung würde es an solch einer Uni nicht mehr gehen.

Das vergessen Befürworter von Studiengebühren gern: Das Studium soll nicht nur fit für die "Deutschland AG" machen, sondern Bildung vermitteln. Schon allein dieses Argument müsste eigentlich reichen, um Gebühren abzulehnen. Folglich wäre es wichtig, sich nicht von "Sachzwängen" diktieren zu lassen, dass Studierenden in Zukunft gewinnmaximierendes Wissen statt fundierter Bildung "verkauft" wird.

Ressort: Zisch

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 03. März 2005: PDF-Version herunterladen

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