Schicksale, die sprachlos machen

BZ-Redaktion

Von BZ-Redaktion

Mo, 24. Juli 2023

Kenzingen

Die Gräueltaten der Terrormiliz IS an den Jesiden im Nordirak und in Syrien sind als Völkermord anerkannt. Familien wurden brutal getrennt, die Organisation Zarok hilft den Vertriebenen mit der "aufsuchenden Familientherapie".

Susanne Dorer und Sigrid Leder-Zuther von der Organisation "Zarok (Kinder)" aus Kenzingen sind mit dem Schicksal der jesidischen Vertriebenen durch ihre jahrelange Tätigkeit vertraut. Trotzdem gibt es immer wieder Nachrichten aus dem Land, die beide sprachlos machen, wie aktuell die Berichte über das Schicksal von Rona (Name geändert).

Das jesidische Mädchen war als vierjähriges Kleinkind beim Überfall des Islamischen Staates (IS) auf die Dörfer im Sindjargebirge entführt worden. Als der Islamische Staat in Syrien und im Irak besiegt war, wurde sie mit sechs anderen jesidischen Mädchen über die Grenze in die Türkei geschmuggelt. Im Juni 2023 kam die inzwischen Dreizehnjährige durch politische Verhandlungen frei.

Rona hat ihre kurdische Muttersprache vergessen und spricht nur noch Arabisch – deshalb kann sie sich mit ihrer Mutter,, die im Flüchtlingscamp lebt, nicht verständigen. Strenggläubig muslimisch aufgewachsen, meidet Rona jeglichen Kontakt mit Männern. Wenig ist über ihr Leben in der Türkei und ihr Schicksal bisher bekannt. Nachdem sie freikam, musste sie mehrere intensive Befragungsrunden durch die kurdischen Sicherheitskräfte durchstehen.

Inzwischen wurde Rona ins Projekt der "aufsuchenden Familientherapie" aufgenommen. Diese gemeinsam von Zarok mit zwei Psychologen der "Panaga Organization for Education" realisierten Maßnahme bietet langfristige therapeutische Hilfe, soziale Integration und ganz praktische Unterstützung im familiären Umfeld. Die lokalen psychologischen Fachkräfte haben langjährige Erfahrungen im Umgang und bei der Unterstützung von jungen Überlebenden des Völkermordes an den Jesiden. Ihrer Einschätzung nach steht Rona eine lange Zeit der Heilung bevor.

Zarok fördert die aufsuchende Familientherapie seit drei Jahren. Über längere Zeiträume werden etwa ein Dutzend besonders belastete Teilfamilien oder Einzelpersonen therapeutisch begleitet, die Kosten belaufen sich auf etwa 1300 Euro pro Monat.

Für jesidische Jugendliche sind die seit neun Jahren bestehenden Flüchtlingscamps im Nordirak gefährliche Orte. Sie bieten keine Orientierung, keine familiäre Stabilität, keine Einkommensmöglichkeiten, keine Perspektiven. Insbesondere Jugendliche ohne sichere Lese- und Schreibkenntnisse sind sehr gefährdet durch Anwerbeversuche von Kriminellen, Drogenhändlern oder islamistischen Milizen. Alle locken mit dem schnellen Dollar. Jungen Frauen droht Frühverheiratung oder Zwangsprostitution. Schlepper behaupten, für große Summen eine goldene Zukunft in Europa zu ermöglichen.

Viele jesidische Vertriebene haben die traumatischen Erlebnisse beim Überfall des islamischen Staates auf ihre Siedlungsgebiete nicht verarbeitet. Tausende wurden ermordet oder verschleppt. Die Überlebenden des Völkermordes vegetieren ohne Hoffnung in den riesigen, abseits der kurdischen Dörfer liegenden Flüchtlingscamps dahin oder haben sich an den Stadträndern in Notunterkünften unter Plastikplanen eingerichtet. Die Heimatdörfer im Sindjargebirge sind zerstört und zum großen Teil vermint, es fehlt jegliche Infrastruktur – Sicherheit gibt es für Rückkehrende nicht.

Aktuell eröffnet Zarok zum zweiten Mal zehn Jugendlichen aus dem Camp in Shariya mit einem Berufsausbildungsprojekt eine Perspektive. Das Team der lokalen "Panaga Organization for Education" in Shariya beschult die Jugendlichen, stützt, motiviert und stabilisiert. Gemeinsam werden Praktikumsplätze gesucht und Vereinbarungen mit Ausbildungsbetrieben getroffen. Die Jugendlichen und ihre Ausbilder werden begleitet und beraten. Drei Monate lang, von Juni bis August 2023, lernen die Jugendlichen in einer Zimmerei, einer Gärtnerei, einem Barbershop oder einem Friseursalon in Shariya.

"Wir hoffen, dass zum Projektabschluss alle Jugendlichen wieder in eine reguläre Tätigkeit übernommen werden" sagt die Zarok-Vereinsvorsitzende Susanne Dorer. Ihre Vorstandskollegin Sigrid Leder-Zuther ergänzt: "Im Vorgängerprojekt im November 2022 wurden neun von zehn Jugendlichen weiterbeschäftigt – eine stolze Quote." Zarok wendet für dieses intensive dreimonatige Projekt 6900 Euro auf und freut sich über Spenden für ein weiteres Berufsausbildungsprojekt.

Spendenkonto Zarok e.V. bei der Sparkasse Freiburg/ Nördlicher Breisgau, IBAN DE48 6805 0101 0013 069155 Verwendungszweck: Spende Flüchtlinge