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Krieg

Schock, Entsetzen und heftige Kämpfe nach Angriff Russlands auf die Ukraine

  • afp, dpa &

  • Do, 24. Februar 2022, 22:15 Uhr
    Ausland

Russische Truppen fallen von mehreren Seiten in die Ukraine ein. Kämpfe entbrennen auch in der Region um Kiew. Die Nato aktiviert ihre Verteidigungspläne für Europa.

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Mit einem Großangriff seiner Armee auf die Ukraine hat Russland weltweit Erschütterung und Entsetzen ausgelöst. Russische Bodentruppen marschierten am Donnerstagmorgen von mehreren Seiten in die Ukraine ein, in zahlreichen Städten gab es Raketenangriffe. Am Nachmittag lieferten sich russische und ukrainische Soldaten Kämpfe nahe Kiew. Dutzende Menschen wurden getötet. Der Westen verurteilte den Einmarsch als Völkerrechtsbruch, die Nato aktivierte ihre Verteidigungspläne.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte die Offensive in der Nacht zu Donnerstag angeordnet. Kurz nach seiner Fernsehansprache rückten russische Truppen von Belarus im Norden sowie vom Süden und Osten aus in die Ukraine ein. In Kiew und in der Hafenstadt Mariupol waren ebenso Explosionen zu hören wie in der Schwarzmeerstadt Odessa, in der zweitgrößten Stadt des Landes, Charkiw, sowie in Kramatorsk und an der Frontlinie zu den ostukrainischen Separatistengebieten.

Wenige Stunden später drangen russische Truppen in die Hauptstadtregion Kiew ein. Am frühen Abend (Ortszeit) meldete der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj die Einnahme des nur wenige Kilometer von Kiew gelegenen Militärflughafens Hostomel. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko verhängte eine nächtliche Ausgangssperre.

Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte, die russische Armee habe mehr als 70 militärische Ziele in der Ukraine zerstört, darunter elf Flugplätze. Laut Geheimdiensten hat Russland nun die volle Lufthoheit über die Ukraine.

Selenskyj verhängte das Kriegsrecht über die gesamte Ukraine und brach die diplomatischen Beziehungen zu Moskau ab. Er forderte eine weltweite "Anti-Putin-Koalition". "Die Welt muss Russland zum Frieden zwingen", sagte er. Das Vorgehen Russlands verglich er mit jenem von Nazi-Deutschland zu Beginn des Zweiten Weltkriegs.

In den ersten Stunden des russischen Großangriffs wurden nach Angaben ukrainischer Stellen mindestens 68 Menschen getötet, sowohl Soldaten als auch Zivilisten. Die ukrainische Armee erklärte zudem, sie habe in der Ostukraine rund "50 russische Besatzer" getötet.

Die Nato aktivierte auf Antrag der Militärführung ihre Verteidigungspläne. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte nach einer Dringlichkeitssitzung der 30 Nato-Botschafter in Brüssel, damit könne im Notfall die Eingreiftruppe Nato Response Force (NRF) eingesetzt werden, um Mitgliedsländer zu schützen. Sie umfasst bis zu 50.000 Soldaten. Es gebe aber "keine Pläne, Nato-Truppen in die Ukraine zu entsenden".

US-Präsident Joe Biden erklärte, Putin habe sich "für einen vorsätzlichen Krieg entschieden, der zu einem katastrophalen Verlust an Leben und zu menschlichem Leid führen wird" und warnte, die Welt werde "Russland zur Verantwortung ziehen". Die USA verlegen weitere 7000 US-Soldaten nach Deutschland. Russlands zweitgrößte Bank VTB wird vom US-Finanzmarkt ausgeschlossen. Am Abend kündigte Biden strikte Exportkontrollen für den Technologiesektor und Strafmaßnahmen gegen die russische Elite an. Außerdem telefonierte der französische Präsident Emmanuel Macron mit Putin. Das teilte der Kreml mit. Es habe einen "ernsthaften und offenen Meinungsaustausch über die Lage in der Ukraine" gegeben.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagte, der Angriff Russlands sei "ein eklatanter Bruch des Völkerrechts". Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sprach von einem "Tag der Schande", Frankreichs Präsident Emmanuel Macron von einem "Wendepunkt in der europäischen Geschichte". Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte, Putin verstoße gegen alle Regeln des Völkerrechts. Er habe "Europa und die Welt in eine tiefe Krise gestürzt, die an die dunkelsten Zeiten des europäischen Kontinents" erinnere.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verstärkte die Vorbereitungen für eine Reaktion auf mögliche Flüchtlingsbewegungen aus der Ukraine. Die Sicherheitsbehörden hätten zudem "die Schutzmaßnahmen zur Abwehr etwaiger Cyberattacken hochgefahren", erklärte sie.
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Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind bereits rund 100.000 Menschen in der Ukraine auf der Flucht. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte, mit allen östlichen Mitgliedstaaten seien "Notfallpläne" vereinbart worden, damit die Menschen sofort aufgenommen werden könnten. Am Donnerstagabend gab es in Brüssel einen EU-Gipfel, ein umfangreiches Sanktionspaket wurde verabschiedet.

Putin wiederholte in einer TV-Ansprache die Behauptung vom angeblichen "Völkermord" ukrainischer Truppen an der russischsprachigen Bevölkerung im Osten des Landes. "Wir werden uns bemühen, eine Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine zu erreichen." Ans Ausland richtete er eine drastische Warnung: "Jeder, der versucht, sich bei uns einzumischen, oder mehr noch, eine Bedrohung für unser Land und unser Volk zu schaffen, muss wissen, dass Russlands Antwort sofort erfolgen und zu solchen Konsequenzen führen wird, wie Sie sie in Ihrer Geschichte noch nie erlebt haben."

Ressort: Ausland

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